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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee
Autoren: Chris Cleave
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von nicht mal einem Meter Größe, mit einem Umhang voller Sand und Salzwasser. Charlie lachte mit den anderen Kindern, rannte und spielte und jagte ihnen nach.
    Es war heiß, und ich grub die Zehen tief in den kühleren Sand.
    »Sarah. Wie lange wirst du hierbleiben?«
    »Keine Ahnung. Sollen wir versuchen, dir Papiere zu beschaffen, damit du mit mir nach England zurückkannst?«
    3Ich zuckte mit den Schultern. »Die wollen keine Leute wie mich.«
    Sarah lächelte. »Ich bin Engländerin und will Leute wie dich. Sicher bin ich nicht die Einzige.«
    »Die Leute werden dich für naiv halten.«
    Sarah lächelte. »Sollen sie doch. Sollen sie sagen, was immer ihnen Trost verschafft.«
    Wir saßen lange da und schauten aufs Meer.
    Am Nachmittag wehte der Wind vom Wasser, und ich schlief kurz ein, halb im Schatten der Bäume oben am Strand. Die Sonne erwärmte mein Blut, bis ich die Augen nicht länger offenhalten konnte, und die Wellen donnerten heran, eine nach der anderen, und mein Atem glitt in den Rhythmus des Meeres, als ich zu träumen begann. Ich träumte, wir alle lebten zusammen in meinem Land. Ich war glücklich. Ich träumte, ich wäre Journalistin und erzählte die Geschichten meines Landes, und wir alle - ich und Charlie und Sarah - wohnten zusammen in einem Haus, einem großen, kühlen, dreistöckigen Haus in Abuja. Es war ein sehr schönes Haus. Die Art von Haus, die ich mir früher nie erträumt hatte, als unsere Bibel mit dem 7. Kapitel von Matthäus endete. Ich war glücklich in dem Haus, von dem ich träumte, und die Köchin und die Haushälterin lächelten mich an und nannten mich »Prinzessin«. Jeden Morgen brachte mir der Gartenboy eine duftende gelbe Rose für mein Haar, die auf ihrem schlanken grünen Stängel zitterte, noch vom Nachttau benetzt. Es gab eine geschnitzte hölzerne Veranda, die weiß gestrichen war, und einen langen, geschwungenen Garten mit leuchtenden Blumen und dunklem Schatten. Ich reiste durch mein Land und hörte mir alle möglichen Geschichten an. Nicht alle waren traurig. Ich entdeckte auch viele schöne Geschichten. Ja, es gab das Grauen, aber auch die Freude. Die Träume meines Landes sind nicht anders als eure - sie sind so groß wie das menschliche Herz.
    3In meinem Traum rief Lawrence Sarah an und fragte, wann sie nach Hause käme. Sarah blickte über die Veranda zu Charlie, der mit Bauklötzen spielte, und sagte lächelnd: Wie meinst du das ? Wir sind zu Hause.
    Ich erwachte vom Geräusch der Wellen, die an den Strand donnerten. Es krachte, als wenn die Schublade einer Registrierkasse aufspränge und alle Münzen darin gegen die Wände ihrer Fächer schlügen. Die Brandung donnerte und verebbte, die Schublade öffnete und schloss sich.
    Es gibt einen Augenblick, wenn man in der heißen Sonne aus einem Traum erwacht, einen Augenblick außerhalb der Zeit, in dem man nicht weiß, was man ist. Weil man sich absolut frei fühlt, so als könnte man sich in alles verwandeln, glaubt man zuerst, man sei eine Münze. Doch dann spürt man den heißen Atem von etwas auf dem Gesicht, und es scheint, dass man doch keine Münze ist, man muss der heiße Wind sein, der vom Meer her weht. Es scheint, als wäre die Schwere, die man in den Gliedern spürt, das Gewicht des Salzes im Wind; und die süße Schläfrigkeit, die einen verhext, ist Müdigkeit, weil man die Wellen Tag und Nacht über den Ozean schieben muss. Doch dann begreift man, dass man doch nicht der Wind ist. Man spürt Sand auf der nackten Haut. Und einen Augenblick lang ist man der Sand, den der Wind über den Strand weht, nur ein Sandkorn unter Milliarden anderer Sandkörner. Wie schön, so unbedeutend zu sein. Wie angenehm, zu wissen, dass man nichts zu tun hat. Wie wunderbar einfach, wieder einzuschlafen, so wie es der Sand tut, bis der Wind daran denkt, ihn wieder aufzuwecken. Doch dann merkt man, dass man nicht der Sand ist, dass die Haut, gegen die der Sand treibt, die eigene Haut ist. Nun, dann ist man eben ein Geschöpf mit Haut - na und? Es ist ja nicht so, als wäre man das erste Geschöpf, das jemals in der Sonne eingeschlafen ist, während es auf das Donnern der Wellen gelauscht hat. Eine Million Fische sind davongeglitten, haben auf dem blendend weißen Sand gezappelt, welchen Unterschied macht dann noch einer mehr? Doch der Augenblick geht weiter, und man ist kein sterbender Fisch - man schläft nicht einmal richtig -, also öffnet man die Augen und schaut an sich hinunter und sagt, Ach so, ich bin ein
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