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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee
Autoren: Chris Cleave
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Verschwendung, oder? Ich könnte mir vorstellen, du hast bessere Qualifikationen als ich. Eigentlich müsstest du mich wegbringen, was? In dieses Land, wohin wir jetzt fliegen, wie heißt es gleich wieder ...«
    »Nigeria.«
    »Genau, das war's. Heiß, was?«
    »Heißer als England.«
    »Dachte ich mir. Das sind die Länder meistens, wo ihr herkommt.«
    Er wandte sich wieder seiner Zeitschrift zu. Immer wenn er umblätterte, leckte er an seinem Finger. Er hatte Tätowierungen auf den Fingerknöcheln, kleine blaue Punkte. Seine Uhr war groß und golden, aber das Gold nutzte sich schon ab. Sie sah aus wie die Uhren aus der Zeitschrift. Er blätterte weiter und schaute mich wieder an.
    »Du redest nicht viel, was?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Schon in Ordnung. Ist mir egal. Besser als das Wasserwerk.«
    »Das Wasserwerk?«
    »Manche weinen. Von den Leuten, die ich zurückbringe.
    Die Frauen sind nicht am schlimmsten, ob du's glaubst oder nicht. Einmal hatte ich einen Kerl - der musste nach Simbabwe und schluchzte sechs Stunden ununterbrochen. Alles war voller Tränen und Rotz, wie bei einem Baby, kein Witz. Nach einer Weile war es dann schon peinlich. Du weißt schon, die anderen Passagiere. Schauten mich blöd an und so. Ich hab gesagt, Kopf hoch, Kumpel, vielleicht wird's ja alles nicht so schlimm, aber es nutzte nichts. Er weinte immer weiter und redete ausländisch vor sich hin. Manche von euch, um die tut es mir leid, aber bei dem, ich kann dir sagen, da konnte ich es gar nicht abwarten, bis ich den los war. Wurde aber gut bezahlt, der Job. Drei Tage lang gab es keinen Flug, also brachten sie mich im Sheraton unter. Ich guckte drei Tage lang Sky Sports, kratzte mich am Arsch und bekam den anderthalbfachen Lohn. Natürlich sind die Leute, die das wirklich große Geld machen, die Unternehmer dahinter. Ich arbeite jetzt für eine holländische Firma, die organisieren die ganze Show. Sie betreiben die Abschiebegefängnisse und organisieren die Repatriierung. So verdienen sie immer, ob wir euch nun einsperren oder zurückschicken. Irre, was?«
    »Irre«, sagte ich.
    Der Mann tippte sich an die Schläfe. »Aber so muss man heutzutage denken, oder? Das ist die Globalisierung.«
    Das Flugzeug rollte auf dem Asphalt rückwärts, und von der Decke wurden Fernsehbildschirme heruntergelassen. Man zeigte uns einen Sicherheitsfilm. Darin sagten sie, was wir tun sollten, wenn sich die Kabine mit Rauch füllte, und auch, wo unsere Rettungswesten untergebracht waren, falls wir auf dem Wasser landen müssten. Ich bemerkte, dass sie uns nicht die Position zeigten, die wir einnehmen sollten, wenn wir in ein Land abgeschoben wurden, in dem wir wahrscheinlich getötet würden, weil wir bestimmte Ereignisse mit angesehen hatten. Sie sagten, auf der Sicherheitskarte in der Tasche des Vordersitzes befänden sich weitere Informationen.
    Dann ertönte ein enormes, furchterregendes Dröhnen, so laut, dass ich dachte, die haben uns reingelegt. Ich habe geglaubt, wir machen eine Reise, aber in Wirklichkeit werden wir getötet. Dann aber beschleunigte das Flugzeug ganz stark, und alles fing an zu beben und kippte in einen erschreckenden Winkel, und dann waren die Vibrationen plötzlich vorbei, und das Geräusch legte sich, und mein Magen spielte verrückt. Der Mann neben mir, mein Wärter, sah mich an und lachte.
    »Entspann dich, Mädchen, wir sind in der Luft.«
    Nach dem Start meldete sich der Pilot über die Sprechanlage. Er sagte, es sei ein schöner sonniger Tag in Abuja.
    Ich begriff, dass ich für ein paar Stunden im Niemandsland war. Ich sagte zu mir, siehst du, Little Bee - endlich fliegst du. Summ, summ. Ich drückte die Nase gegen das Fenster. Ich sah die Wälder und die Felder und die Straßen mit ihren winzigen Autos, all diese winzigen, kostbaren Leben. Mir hingegen kam es vor, als wäre mein Leben schon vorbei. Von ganz hoch oben am Himmel, ganz allein, konnte ich die Krümmung der Welt erkennen.
    Und dann hörte ich eine Stimme, eine freundliche, sanfte Stimme, die mir vertraut war.
    »Bee?«
    Ich drehte mich vom Fenster weg und sah Sarah. Sie stand im Gang und lächelte. Sie hatte Charlie an der Hand, und er lachte mich an. Er trug sein Batmankostüm und grinste, als hätte er soeben alle Bösen getötet.
    »Fliegen wir in den Himmel?«, fragte er.
    »Nein, Liebling, wir fliegen am Himmel«, sagte Sarah.
    Ich traute meinen Augen nicht. Sarah griff über den Wärter hinweg und legte ihre Hand auf meine.
    »Lawrence hat
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