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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee
Autoren: Chris Cleave
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herausgefunden, in welche Maschine sie dich setzen«, sagte sie. »Letztlich hat er dann doch ein paar nützliche Verbindungen. Wir konnten dich nicht allein zurückfliegen lassen, Bee. Stimmt's, Batman?«
    Charlie nickte. Er wirkte auf einmal sehr feierlich.
    »Nein, konnten wir nicht«, sagte er. »Du bist doch unser Freund.«
    Der Wärter wusste nicht, was er machen sollte.
    »Ich hab ja schon eine Menge erlebt«, sagte er.
    Schließlich stand er auf und machte Sarah und Charlie Platz neben mir. Sie umarmte mich, und ich weinte, und die anderen Passagiere drehten sich um und bestaunten das Wunder, und das Flugzeug flog uns alle mit neunhundert Stundenkilometern in die Zukunft. Nach einer Weile brachte man uns Erdnüsse und Coca-Cola in winzigen Dosen. Charlie trank seine so schnell, dass ihm die Coca-Cola aus der Nase quoll. Nachdem Sarah ihn sauber gemacht hatte, drehte sie sich zu mir.
    »Ich habe mich gefragt, warum Andrew keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat«, sagte sie. »Und dann habe ich darüber nachgedacht. Es war nicht sein Stil. Er schrieb im Grunde nicht gern über sich selbst.«
    Ich nickte.
    »Außerdem hat er mir etwas Besseres als einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
    »Was denn?«
    Sarah lächelte. »Eine Geschichte.«
    In Abuja öffneten sich die Türen des Flugzeugs, und Hitze und Erinnerungen rollten herein. Wir gingen in der flirrenden Luft über den Asphalt. Im Terminalgebäude übergab mich mein Wärter mit einer Unterschrift an die Behörden. Cheerio, sagte er. Viel Glück, Mädchen.
    Die Militärpolizisten erwarteten mich in einem kleinen Zimmer. Sie trugen Uniformen und Sonnenbrillen mit goldenem Gestell. Sie konnten mich nicht verhaften, weil Sarah bei mir war. Sie wich mir nicht von der Seite. Ich bin eine britische Journalistin, sagte sie. Was immer Sie dieser Frau antun, ich werde darüber berichten. Die Militärpolizisten waren unsicher und riefen ihren Kommandanten. Der Kommandant kam in Tarnuniform und rotem Barett, über seine Wangen zogen sich Stammesnarben. Er betrachtete meine Abschiebepapiere und schaute mich und Sarah und Charlie an. Er stand lange da, kratzte sich am Bauch und nickte.
    »Warum ist das Kind in dieser Weise gekleidet?«, fragte er.
    Sarah schaute ihm ins Gesicht und sagte: »Das Kind glaubt, dass es besondere Kräfte besitzt.«
    Der Kommandant grinste. »Nun, ich bin nur ein Mensch«, sagte er. »Diesmal werde ich keinen von euch verhaften.«
    Alle lachten, doch die Militärpolizisten folgten unserem Taxi vom Flughafen aus. Ich hatte große Angst, aber Sarah hielt meine Hand ganz fest. Ich lasse dich nicht allein, sagte sie. Solange Charlie und ich hier sind, bist du in Sicherheit. Die Polizisten warteten vor unserem Hotel. Wir blieben zwei Wochen, und sie auch.
    Von unserem Fenster blickte man über Abuja. Hohe Gebäude erstrecken sich kilometerweit. Groß und sauber, manche mit silbernem Glas verkleidet, in dem sich die langen, geraden Boulevards spiegelten. Ich betrachtete die Stadt, während der Sonnenuntergang die Gebäude rot erglühen ließ, und dann betrachtete ich sie die ganze Nacht. Ich konnte nicht schlafen.
    Als die Sonne aufging, kam sie zwischen dem Horizont und der Unterseite der Wolken hervor. Sie flammte auf der goldenen Kuppel der Moschee, während die vier hohen Türme noch elektrisch beleuchtet waren. Es war wunderschön. Sarah kam auf den Balkon, wo ich stand und staunte.
    »Das ist deine Stadt«, sagte sie. »Bist du stolz?«
    »Ich wusste nicht, dass es in meinem Land so etwas gibt. Ich versuche noch immer zu spüren, dass es meins ist.«
    Ich blieb den ganzen Morgen dort stehen, während die Tageshitze stärker wurde und die Straßen sich mit Autotaxis und Rollertaxis und Straßenverkäufern mit schwankenden Gestellen voller T-Shirts, Kopftücher und Medizin füllten.
    Charlie saß drinnen und schaute sich Zeichentrickfilme an. Die Klimaanlage lief. Sarah breitete Andrews Papiere auf einem langen, niedrigen Tisch aus. Auf jeden Stapel legten wir einen Schuh, eine Lampe oder ein Glas, damit die Blätter im Luftzug der großen Mahagoniventilatoren, die an der Decke kreisten, nicht davonflogen. Sarah erklärte mir, wie sie das Buch zu Ende schreiben wollte, für das Andrew recherchiert hatte. Ich muss noch mehr Geschichten wie deine sammeln, sagte sie. Meinst du, wir können das hier machen ? Ohne in den Süden des Landes zu fahren?
    Ich antwortete nicht. Ich sah einige der Papiere durch und dann ging ich wieder hinaus auf den Balkon.
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