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Little Bee

Little Bee

Titel: Little Bee
Autoren: Chris Cleave
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vergessen. Zum Beispiel könnte die Königin niemals sagen: Gab viel wahala, das Mädchen da hat sich mit Popohexerei meinen Sohn Nummer eins geschnappt, und jeder wusste, sie endet im bösen Busch. Stattdessen muss die Königin sagen: Meine verstorbene Schwiegertochter setzte ihre weiblichen Reize ein, um sich mit meinem Erben zu verloben, und man hätte wissen müssen, dass dies nicht gut endet. Das ist ein bisschen traurig, findet ihr nicht? Das Englisch der Königin zu lernen ist so, als würde man sich am Morgen nach einem Tanz den leuchtend roten Lack von den Zehennägeln schrubben. Es dauert lange, und am Ende bleibt immer ein bisschen übrig, ein roter Rand, der einen an den Spaß erinnert, den man hatte. Ihr versteht also sicher, dass ich nur langsam lernte. Andererseits hatte ich viel Zeit. Ich habe eure Sprache im Abschiebegefängnis in Essex gelernt, im Südosten des Vereinigten Königreichs. Zwei Jahre haben sie mich dort eingesperrt. Zeit war das Einzige, was ich hatte.
    Warum ich mir die Mühe gemacht habe? Weil mir die älteren Mädchen etwas erklärt haben: Um zu überleben, musst du hübsch aussehen oder noch schöner sprechen. Bei den Unscheinbaren und Stillen sind die Papiere nie in Ordnung. Ihr sagt, sie werden zurückgeführt. Wir sagen, früh nach Hause geschickt. Als wäre euer Land ein Kindergeburtstag, der zu wunderbar ist, um ewig zu dauern. Aber die Hübschen und die Redegewandten, die dürfen bleiben. Sie machen euer Land lebhafter und schöner.
    Ich werde euch erzählen, was passiert ist, als sie mich aus der Abschiebehaft entließen. Der Wachbeamte drückte mir einen Gutschein in die Hand, einen Transportgutschein, und sagte, ich könne mir ein Taxi rufen. Ich sagte: Vielen Dank, Sir, möge Gott Ihr Leben mit Gnade erfüllen und Freude in Ihr Herz bringen und Ihre Lieben mit Wohlstand bedenken. Der Beamte verdrehte die Augen zur Decke, als gäbe es dort oben etwas sehr Interessantes zu sehen, und sagte, Himmel. Dann zeigte er mit dem Finger den Flur entlang und sagte: Da ist das Telefon.
    Also stand ich vor dem Telefon in der Schlange. Ich dachte, ich habe wohl übertrieben, als ich mich bei dem Wachbeamten bedankte. Die Königin hätte einfach nur Vielen Dank gesagt und es dabei belassen. Nein, die Königin hätte dem Wachbeamten vermutlich gesagt, er solle das verdammte Taxi selber rufen, sonst würde sie ihn erschießen lassen und ihm den Kopf vom Körper trennen und auf dem Tower of London zur Schau stellen lassen. Genau da wurde mir klar, dass es eine Sache ist, in einer Zelle im Abschiebegefängnis das Englisch der Königin aus Büchern und Zeitungen zu lernen, aber eine ganz andere, die Sprache tatsächlich mit den Engländern zu sprechen. Ich war wütend auf mich. Ich dachte, solche Fehler kannst du dir nicht leisten, Mädchen. Wenn du wie eine Wilde redest, die Englisch auf dem Boot gelernt hat, werden die Männer dir auf die Schliche kommen und dich geradewegs nach Hause schicken. Das habe ich gedacht.
    Vor mir in der Schlange standen drei Mädchen. Man ließ uns alle am selben Tag frei. Es war ein Freitag. Ein heller, sonniger Morgen im Mai. Der Flur war schmutzig, roch aber sauber. Ein guter Trick. Sie machen das mit Bleichmittel.
    Der Wachbeamte saß an seinem Tisch. Er schaute uns Mädchen nicht an. Er las Zeitung. Sie lag aufgeschlagen auf dem Tisch. Es war keine der Zeitungen, aus denen ich eure Sprache gelernt habe - die Times oder der Telegraph oder der Guardian. Nein, diese Zeitung war nicht für Leute wie dich und mich. Ein Foto darin zeigte ein weißes Mädchen, und zwar oben ohne. Ihr versteht, was ich damit meine, denn wir sprechen hier eure Sprache. Würde ich diese Geschichte aber meiner großen Schwester Nkiruka und den anderen Mädchen aus meinem Dorf erzählen, müsste ich an dieser Stelle unterbrechen und ihnen erklären: Oben ohne bedeutet nicht, dass die Dame in der Zeitung keinen Oberkörper hatte. Es heißt, dass sie oben herum keine Kleidungsstücke trug. Versteht ihr den Unterschied ?
    - Moment mal. Nicht mal einen Büstenhalter?
    - Nicht mal einen Büstenhalter.
    - Wahl
    Dann würde ich meine Geschichte weitererzählen, aber die Mädchen zu Hause würden tuscheln. Sie würden hinter vorgehaltenen Händen kichern. Wenn ich weiter von dem Morgen erzählen wollte, an dem ich aus dem Abschiebegefängnis entlassen wurde, würden mich die Mädchen erneut unterbrechen. Nkiruka würde sagen: Hör mal zu, ja ? Hör zu. Nur damit das klar ist. Das Mädchen auf
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