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Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Lisa geht zum Teufel (German Edition)

Titel: Lisa geht zum Teufel (German Edition)
Autoren: Tessa Hennig
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fröhlicher stimmen.
    »Hallo, Vroni«, begrüßte Lisa ihre langjährige Marbella-Freundin.
    »Wusst ich’s doch. Du bist schon da. Stör ich?«, wollte sie wissen.
    »Nein, ganz und gar nicht.«
    »Wir sind schon alle ganz aufgeregt …« Vronis Schnappatmung nach zu urteilen, musste das stimmen.
    »Was ist los? Hat sich Alex ein neues Boot gekauft?«
    »Das könnte er sich doch gar nicht leisten. Wir sind neugierig auf deine neue Flamme und … na ja, bei mir gibt’s auch Neuigkeiten …«
    Lisa überlegte für einen Moment, ob sie Vroni gleich oder erst morgen von ihrem Debakel erzählen sollte. Lieber morgen.
    »Er heißt Stefan! – Mensch, Lisa. Ich hab mich frisch verliebt.«
    Das war’s. Irgendein Engel oder Teufel, dem gerade langweilig war, hatte anscheinend beschlossen, ihr den diesjährigen Urlaub gründlich zu vermiesen. Vroni war dick, ein Schnattermäulchen, das manchmal total nervig war, und lebte »indoor« überwiegend in angesagten, aber in ihrem Fall unvorteilhaften T-Shirts und Leggings, die sie wahrscheinlich bei H & M in der Abteilung für junge Mode kaufte – und nicht, weil sie sich nichts anderes hätte leisten können. Die geborene Erbin schwamm im Geld und hatte nichts weiter zu tun, als ihr Erbe zu verwalten. Allgemeinbildung? Mau! Dafür fit in Societyfragen und am Herd. Wozu doch fünf Kochkurse an der VHS manchmal gut waren. Das musste es sein! Reich, dumm wie Brot und haushaltstauglich. Die ideale Kombination. Warum sonst bissen bei ihr die Männer an? Lisa schämte sich sogleich für die aus purer Missgunst geborenen Gedanken, denn mit Vroni konnte man herzhaft lachen und jede Menge Bäume ausreißen. Was wäre ein Urlaub in Marbella ohne das Plappermäulchen mit bunten Leggings?
    »Du sagst ja gar nichts …«, fragte Vroni eine Spur beunruhigt nach.
    »Ich freu mich für dich«, rang sich Lisa ab und überlegte, seit wann sie lügen konnte, ohne dabei rot zu werden.
    »Du wirst es nicht glauben. Er ist so süß und seit zwei Jahren Witwer … Er hat fünf Mietshäuser allein in Marbella, vermutlich ein Multimillionär … Ich hab ihn am Strand kennengelernt. Einfach so, beim Eisessen. Das ist doch total irre, oder?«
    Allerdings. Lisa wusste gar nicht, welchem Gefühl sie zuerst nachgehen sollte, der Übelkeit oder dem aufsteigenden Schwindel. Nun fingen auch noch ihre Schläfen an zu pochen. Wahrscheinlich erste Anzeichen einer Migräne. Es erübrigte sich jetzt, den Koffer auszupacken. Ertränken konnte man sich auch in getragener Unterwäsche.
    »Lisa?«
    »Ich bin nur müde«, log sie erneut.
    »Verstehe … Tut mir leid, ich hätte dich nicht so überfallen sollen …«
    »Schon gut.«
    »Dann bis morgen. Ruf mich an – und grüß Reiner von mir, unbekannterweise.«
    Mehr als einen affirmativen Brummlaut, Lüge Nummer drei, brachte Lisa nicht mehr heraus. Was könnte schöner sein als ein Urlaub in Marbella als fünftes Rad am Wagen, mit zwei frisch Verliebten und dem Vorzeigeehepaar Claudia und Alex, die über ein eingebautes Turtelgen verfügten und Tag und Nacht wie Bonobos aneinanderklebten?! Lisa legte das Handy zur Seite und tröstete sich mit der Gewissheit, dass es nicht mehr schlimmer kommen konnte. Toller Urlaub!

Kapitel 2
    Rafael fragte sich auf seiner frühmorgendlichen Tour durch die »Goldene Meile« Marbellas, ob es überhaupt möglich war, noch tiefer zu sinken, als seinen Lebensrhythmus den Dienstzeiten munizipaler Einrichtungen anzupassen, um zu überleben. Die Antwort, die er sich gab, war beruhigend: Jemand, der schon am Boden war, hatte bereits den Grund erreicht.
    »¡Lárgate!«, zischte jemand aus dem Garten eines Anwesens, dessen Mülltonne Rafael gerade nach etwas Essbarem durchsuchte. Die Aufforderung, sich »zu verziehen«, gehörte zum morgendlichen Programm eines »Sin Techo«, eines Obdachlosen. Daran hatte sich Rafael bereits gewöhnt. An die feindseligen Blicke der »Reichen und Schönen«, die im Leben alles richtig gemacht hatten, konnte er sich wohl nie gewöhnen. Was war so schlimm daran, in einer Mülltonne nach etwas Verwertbarem zu suchen? Die Reichen warfen viel weg. Sie ernährten sich gesund. Gesunder Abfall war besser, als am Strand umherzustreunen, entlang der Fast-Food-Ketten, die ungesunden Abfall produzierten. Außerdem wanderte gerade in den schicken Vierteln einiges in den Müll, das er gut gebrauchen konnte, wie zum Beispiel Batterien, Kleidung, Schuhe oder Decken. Alles gratis, jedenfalls fast. Der Preis dafür waren
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