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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick
Autoren: Susanne Fuelscher
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war ich in geheimer Mission unterwegs ins »Petit Café«, um das Virus demnächst möglichst schnell und für möglichst viel Geld unters Volk zu bringen. Operation Fernsehverseuchung – das entsprach voll und ganz meinem neuen Vorhaben, dem Leben endlich einen Sinn zu geben.
    Ralf Witthusen. Es war uns beiden daran gelegen, die Sache so schnell wie möglich hinter uns zu bringen, zumal wir uns schon früher nicht aus lauter Zuneigung in den Armen gelegen hatten. Ralf, der asexuelle Besserwisser – heute fand ich ihn bieder und specknackig, beim Reden schob er die zu wulstig geratene Unterlippe vor, während seine wässerig-blauen Augen aus den Augenhöhlen hervortraten. Irgendwie erinnerte er mich an eine Kröte, genauer gesagt an einen Kurzkopffrosch, der – soweit ich mich an einen Dokumentarfilm über Froschlurche erinnerte – Termiten fraß.
    Kein Wort über gemeinsame Schultage. Ich bestellte einen Milchkaffee und hörte mir an, warum diese geplante Seifenoper alle bisher dagewesenen in den Schatten stellen würde, warum sie es wert war, daß man einen großen Teil an Außenaufnahmen einplante und – zu guter Letzt – daß man wegen der angestrebten Eins-a-Qualität auch nur Eins-a-Autoren schreiben ließ.
    »Und wieso fragst du dann mich?«
    »Dein ehemaliger Synchronboß hat dich empfohlen.« Es hörte sich eine Spur verächtlich an – mir tat der arme Kerl fast leid. Einst hatte er hochtrabend akademische Lateinträume im Kopf gehabt, jetzt mußte er sich von Berufs wegen mit ehemaligen Schulkameradinnen herumschlagen, die er schon damals nur für Kichererbsen gehalten hatte. Kröten-Ralf trank Cola, er schwitzte dabei aus allen Poren seines Körpers, und wenn ich nur den Anflug von Anstand besessen hätte, wäre ich gegangen, nur um ihn mit meiner Anwesenheit zu verschonen. Aber da ich zum einen sadistisch veranlagt, zum anderen darauf erpicht war, die Menschheit zu verderben, blieb ich sitzen und klopfte meinem Selbstbewußtsein auf die Schulter, weil es sich gerade so wacker schlug. Es war zwar nicht leicht, Ralfs mühsam kopierten Werbe-Stakkato-Sprechstil zu ertragen, den er zudem mit wunderschönen Anglizismen anreicherte, aber schließlich war ich ja hart im Nehmen.
    Familie A lag mit Familie B im Clinch, weil Familienvater A seinerzeit mit Familienmutter B ein Verhältnis hatte, zudem war die eine Familie vermögend, die andere weniger, was dazu führte, daß letztere vor Neid ergrünte, aber leider hatten sich die Kinder derbeiden Familien vorgenommen, sich ineinander zu verlieben: Romeo und Julia im Seifenopernformat und natürlich mit der exakt bemessenen Fallhöhe der griechischen Tragödie.
    Ich war von dem Konzept schlichtweg begeistert. Daß das Leben so bunt und vielschichtig sein konnte und daß mir ein in den Gesichtszügen entgleister Kurzkopffrosch namens Ralf Witthusen davon berichtete! Es war Hochsommer, meine Libido stand seit der U-Bahn-Episode in ihrem Zenit, und ich hatte das unfaßbare Glück, die zwischen die Werbespots gelegten Füllsel namens Daily Soap mitgestalten zu dürfen!
    Nachdem alle Formalitäten geklärt waren, stand ich auf, und während ich es plötzlich für angebracht hielt, mich per Handschlag zu verabschieden, beugte sich Ralf vor und übergoß mich mit einer Geruchsmischung aus Schweiß und saurer Sahne, die bei der Hitze vorschnell einen Stich bekommen hatte.
    »Du hörst von mir.«
    »Ich höre von dir.«
    Ich riß mich los und tauchte in den Glutofen Großstadt ein.
    Tom sagte immer: »Baby, du schaffst das schon.« Tom war immer da, wenn ich ihn brauchte. Tom kochte mir Miracoli, er massierte mir den Rücken, gab mir die Hälfte der Stromrechnung, und meistens durfte ich auch die Sachen aufessen, die er in den Kühlschrank gelegt hatte.
    Ausgerechnet heute mußte er mich im Stich lassen. Ausgerechnet heute hatte er sich zu seiner neuen weiblichen Bekanntschaft in die Federn gelegt.
    »Bin bei Rita« stand in krakeliger Kinderschrift auf einem Zettel, der neben der Cappuccinomaschine lag. Wie aufmerksam! Wie überaus sensibel!
    Ich beschloß, mich mit einer Flasche Rotwein auf den Balkon zu setzen und auf ihn zu warten. Auch wenn es mit Sicherheit länger dauern würde. Eifersucht, die keine sein durfte, weil er sich eigentlich nur an die Spielregeln hielt. Sex war nicht verboten, solange er sich außerhalb unserer vier Wände abspielte. Und das war, wenn man es nüchtern und objektiv betrachtete, gar nicht so unpraktisch.Die Betten zu Hause blieben
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