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Limit

Limit

Titel: Limit
Autoren: Frank Schätzing
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spitze, dunkle, rätselhafte, an- und abschwellende, herannahende und entfliehende Geräusche, solche, die aufstiegen wie Gas, andere Volltreffer in Magengrube und Gehörgang. Verkehrsgrundrauschen. Der protzige Bassbariton schwerer Limousinen im Disput mit mäkeligen Mopeds, mit dem Schnurren von Elektromobilen, der Herrschsucht von Sportwagen, aufgemotzten Motorrädern, dem pumpernden Geh-mal-zur-Seite der Busse. Musik aus Boutiquen. Schrittkonzerte in Fußgängerzonen, Schlendern, Schlurfen, Stolzieren, Dahineilen, der Himmel schwingend vom Donner ferner Flugzeugturbinen, die ganze Stadt eine einzige Glocke.
    Außerhalb der Weltraumstadt:
    Nichts davon.
    So vertraut es im Innern der Wohnmodule, Labors, Kontrollräume, Verbindungstunnel, Freizeitzonen und Restaurants lärmte, die sich auf einer Gesamthöhe von 280 Metern verteilten, so gespenstisch mutete es an, wenn man die Station erstmals zur EVA verließ, zur Extravehicular Activity, dem Außeneinsatz. Übergangslos war man draußen, wirklich draußen, so was von draußen wie sonst nirgendwo. Jenseits der Luftschleusen endete alle Akustik. Natürlich ertaubte man nicht zur Gänze. Sich selbst vernahm man sehr wohl, außerdem das Rauschen der im Anzug eingebauten Klimaanlage und natürlich den Sprechfunk, doch spielte sich all das im Innern des tragbaren Raumschiffs ab, in dem man steckte.
    Drum herum, im Vakuum, herrschte perfekte Stille. Man erblickte die gewaltige Struktur der Station, schaute in erleuchtete Fenster, sah das eisige Strahlen der Flutlichtbatterien hoch oben, wo riesige Raumschiffe zusammengebaut wurden, die nie auf einem Planeten landen würden und nur in der Schwerelosigkeit Bestand hatten, gewahrte industrielle Betriebsamkeit, das Umherfahren und Recken der Kräne auf dem äußeren Ring und den Zubringern zum Innenbereich, beobachtete Roboter im freien Fall, lebendigen Wesen ähnlich genug, dass man geneigt war, sie nach dem Weg zu fragen – und intuitiv, überwältigt von der Schönheit der Architektur, der fernen Erde und der kalt starrenden Sterne, deren Licht von keiner Atmosphäre gestreut wurde, erwartete man eine geheimnisvolle oder pathetische Musik zu hören. Doch der Weltraum blieb stumm, seine Erhabenheit fand ihre Orchestrierung einzig im eigenen Atem.
    In Gesellschaft Karina Spektors schwebte Thorn durch die Leere und Stille auf den defekten Manipulator zu. Ihre Anzüge, mit Steuerdüsen ausgestattet, ermöglichten ihnen, präzise zu navigieren. Sie glitten über die Docks des riesigen Raumhafens hinweg, der die turmartige Konstruktion der Station umspannte, breit wie eine Autobahn. Drei Mondshuttles ankerten zurzeit am Ring, zwei an Luftschleusen, Thorns Raumschiff auf Parkposition, außerdem die acht flugzeugähnlichen Evakuierungsgleiter. Im Grunde war der gesamte Ring ein einziger Rangierbahnhof, über den die Raumfahrzeuge ständig ihren Standort wechseln konnten, um die symmetrisch aufgebaute Station im Gleichgewicht zu halten.
    Thorn und Spektor hatten sich vom Torus-2, dem Verteilermodul im Zentrum des Hafens, zu einer der Außenschleusen begeben, von wo es nicht weit bis zum Shuttle war. Weiß und massig, mit geöffneten Ladeluken, ruhte es im Sonnenlicht. Der erstarrte Arm des Manipulators ragte hoch darüber empor, knickte am Ellbogen jäh ab und verschwand im Frachtraum. Unmittelbar vor seiner Ankerplattform hing reglos Huros-ED-4. Den Blick unverwandt auf das blockierte Gelenk gerichtet, haftete seiner Haltung etwas Missbilligendes an. Erst im letzten Moment rückte er ein Stück beiseite, damit sie den Schaden in Augenschein nehmen konnten. Natürlich resultierte sein Verhalten nicht aus kybernetischer Verschnupftheit, da ein Huros nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung seiner selbst hatte, nur waren seine Bilder nicht mehr gefragt. Ab jetzt zählten die Eindrücke, welche die Helmkameras in die Zentrale schickten.
    »Und?«, wollte Haskin wissen. »Was meint ihr?«
    »Übel.« Spektor umfasste das Gestänge des Manipulators und zog sich näher heran. Thorn folgte ihr.
    »Komisch«, sagte er. »Für mich sieht es so aus, als hätte irgendwas den Arm gestreift und diese Furche gerissen, aber die Elektronik scheint unbeschädigt zu sein.«
    »Dann müsste er sich bewegen«, wandte Haskin ein.
    »Nicht unbedingt«, sagte Spektor. Sie sprach ein slawisch aufgerautes Englisch, ziemlich erotisch, wie Thorn fand. Eigentlich schade, dass er keinen weiteren Tag bleiben konnte. »Beim Aufprall dürfte eine Menge
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