Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
sein Auftrag nun, im Raumhafen einen der dortigen Manipulatorarme zu untersuchen, der aus unerfindlichen Gründen während eines Verladeprozesses den Dienst quittiert hatte.
    Zum Raumhafen, das hieß, sich entlang der Station ein weiteres Stück abwärts sinken zu lassen, zu einem Ring von 180 Metern Durchmesser mit acht Liegeplätzen für an- und abfliegende Mondshuttles sowie acht weiteren für Evakuierungsgleiter. Vergaß man, dass die dort ankernden Schiffe Vakuum statt Wasser durchquerten, ging es auf dem Ring nicht anders zu als in Hamburg oder Rotterdam, den großen terranen Seehäfen, wozu ergo auch Kräne gehörten, riesige Roboterarme auf Schienen, Manipulatoren genannt. Einer davon hatte den Beladevorgang eines Fracht- und Personenshuttles, der in wenigen Stunden zum Mond starten sollte, mittendrin abgebrochen. Sämtliche Indikatoren sprachen gegen einen Ausfall. Der Arm hätte funktionieren müssen, blieb jedoch mit apparativer Sturheit jede Bewegung schuldig und hing stattdessen mit gespreizten Effektoren halb im Laderaum des Shuttles, halb draußen, was zur Folge hatte, dass sich der geöffnete Leib des Schiffs nicht mehr schließen ließ.
    Auf vorgeschriebenen Flugbahnen bewegte sich Huros-ED-4 entlang angedockter Shuttles, Luftschleusen und Verbindungstunnel, Kugeltanks, Containern und Masten bis zu dem defekten Arm, der im ungefilterten Sonnenlicht kalt glänzte. Die Kameras hinter der Sichtblende seines Kopfes und an den Enden seiner Extremitäten schickten Bilder ins Innere der Kommandozentrale, als er dicht an die Konstruktion heranfuhr und jeden Quadratzentimeter einer eingehenden Analyse unterzog. Beständig glich er, was er sah, mit den Bildern ab, die ihm sein Datenspeicher zur Verfügung stellte, bis er den Grund für den Ausfall gefunden hatte.
    Er stoppte. Jemand in seinem zentralen Steuermodul sagte »Verdammte Scheiße!«, was Huros-ED-4 zu einer raschen Rückfrage veranlasste. Obschon auf Abtastung der menschlichen Stimme programmiert, vermochte er in der Äußerung keinen sinnstiftenden Befehl zu erkennen. Die Zentrale verzichtete auf eine Wiederholung, also tat er vorerst nichts, als sich den Schaden zu besehen. In einem der Gelenke des Manipulators waren winzige Splitter verkeilt. Eine lange und tiefe Scharte verlief quer oberhalb der Gelenkstruktur, klaffend wie eine Wunde. Auf den ersten Blick schien die Elektronik intakt zu sein, ein reiner Materialschaden also, indes schwerwiegend genug, dass er den Manipulator veranlasst hatte, sich abzuschalten.
    Die Zentrale wies ihn an, das Gelenk zu reinigen.
    Huros-ED-4 verharrte.
    Wäre er ein Mensch gewesen, hätte man sein Verhalten als unschlüssig bezeichnen können. Schließlich bat er um weitere Informationen, womit er auf seine eigene, vage Weise zum Ausdruck brachte, dass ihn die Sache überforderte. So revolutionär die Baureihe sein mochte – sensorbasierte Steuerung, Rückkopplung von Sinneseindrücken, flexibles und autonomes Handeln – , änderte sie doch nichts daran, dass Roboter Maschinen waren, die in Schablonen dachten. Er sah die Splitter und sah sie doch nicht. Wohl wusste er, dass sie da waren, nicht aber, was sie waren. Ebenso registrierte er den Riss, vermochte ihn allerdings mit keiner ihm bekannten Information in Übereinstimmung zu bringen. Damit existierten die defekten Stellen für ihn nicht. Als Folge war ihm schleierhaft, was genau er eigentlich reinigen sollte, also reinigte er gar nichts.
    Ein Hauch Bewusstsein, und Roboter hätten ihre Existenz als wirklich sorgenfrei empfunden.
     
    Andere sorgten sich umso mehr. Vic Thorn hatte ausgiebig geduscht, My Way gehört, T-Shirt, Turnschuhe und Shorts angezogen und soeben beschlossen, den Tag im Fitnessstudio zu beginnen, als ihn der Anruf aus der Zentrale erreichte.
    »Sie könnten uns bei der Lösung eines Problems behilflich sein«, sagte Ed Haskin, in dessen Zuständigkeit der Raumhafen und die daran gekoppelten Systeme fielen.
    »Jetzt gleich?« Thorn zögerte. »Ich wollte kurz aufs Laufband.«
    »Besser gleich.«
    »Was ist los?«
    »Sieht so aus, als gäbe es Schwierigkeiten mit Ihrem Raumschiff.«
    Thorn nagte an seiner Unterlippe. Bei der Vorstellung, sein Abflug könne sich verzögern, schrillten tausend Alarmglocken in seinem Kopf. Schlecht, ganz schlecht! Das Schiff sollte den Hafen um die Mittagszeit verlassen, mit ihm und sieben weiteren Astronauten an Bord, um die Besatzung der amerikanischen Mondbasis abzulösen, die nach sechs Monaten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher