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Limit

Limit

Titel: Limit
Autoren: Frank Schätzing
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wie Elfenbein.
    Finn O'Keefe sah sie und blieb stehen. Die Frau lief ein sportliches Tempo. Sie war eine eigenartige Erscheinung, mit gertenschlanken Gliedmaßen, fast an der Grenze zur Anorexie, doch wohlgeformt. Ihre Haut war schneeweiß, ebenso ihre langen, fliegenden Haare. Sie trug einen knapp geschnittenen, perlmuttfarbenen Badeanzug, gleichfarbene Turnschuhe und bewegte sich mit der Geschmeidigkeit einer Gazelle. Jemand, der auf Titelseiten gehörte.
    »Hallo«, sagte er.
    Die Frau stoppte ihren Lauf und kam mit federnden Schritten näher.
    »Hi! Und wer bist du?«
    »Finn.«
    »Ach, richtig. Finn O'Keefe. Auf der Leinwand siehst du irgendwie anders aus.«
    »Ich sehe immer irgendwie anders aus.«
    Er streckte ihr die Hand entgegen. Ihre Finger, lang und feingliedrig, drückten überraschend fest zu. Jetzt, da sie dicht vor ihm stand, konnte er sehen, dass ihre Augenbrauen und Wimpern vom gleichen schimmernden Weiß waren wie ihre Haare, während die Iris ins Violette ging. Unter der schmalen, geraden Nase wölbte sich ein sinnlich geschwungener Mund mit fast farblosen Lippen. Auf Finn O'Keefe wirkte sie wie ein attraktives Alien, dessen straffe Haut hier und da zu knittern begann. Er schätzte, dass sie die vierzig knapp überschritten hatte.
    »Und wer sind Sie – bist du?«
    »Heidrun«, sagte sie. »Gehörst du auch zur Reisegruppe?«
    Ihr Englisch klang, als würde es durch schartige Gänge getrieben. Er versuchte, ihren Akzent einzuordnen. Deutsche sprachen meist eine Art Sägezahnenglisch, das der Skandinavier war weich und melodiös. Heidrun, beschloss er, war weder Deutsche noch Dänin oder Schwedin.
    »Ja«, sagte er. »Ich bin dabei.«
    »Und? Schiss?«
    Er lachte. Sie schien nicht im Geringsten beeindruckt, ihn hier anzutreffen. Der strapaziösen Bewunderung unzähliger Frauen ausgesetzt, die ihren Gatten lieber im Garten oder auf Dienstreise und ihn dafür in ihrem Bett gesehen hätten, von den Männern, die ihn liebten, ganz zu schweigen, war er eigentlich unentwegt auf der Flucht.
    »Offen gestanden, schon. Ein bisschen.«
    »Egal. Ich auch.«
    Sie strich sich die schweißnasse Mähne aus der Stirn, wandte sich um, spreizte Daumen und Zeigefinger beider Hände zu rechten Winkeln, führte die Spitzen zusammen und betrachtete die Plattform im Meer durch den so geschaffenen Rahmen. Nur wenn man sehr genau hinschaute, erkannte man den senkrechten, schwarzen Strich.
    »Und was will er von dir?«, fragte sie unvermittelt.
    »Wer?«
    »Julian Orley.« Heidrun ließ die Hände sinken und richtete ihren violetten Blick auf ihn. »Er will doch was von jedem von uns.«
    »Ach ja?«
    »Tu nicht so. Andernfalls wären wir kaum hier, oder?«
    »Hm.«
    »Bist du reich?«
    »Geht so.«
    »Blöde Frage, Mann, du musst reich sein! Du bist der Gagenkönig, stimmt's? Wenn du nicht alles verjuxt hast, dürftest du einige hundert Millionen Dollar wert sein.« Sie legte neugierig den Kopf schief. »Und? Bist du's?«
    »Und du?«
    »Ich?« Heidrun lachte. »Vergiss es. Ich bin Fotografin. Von dem, was ich besitze, könnte er nicht mal die Plattform neu streichen lassen. Sagen wir, er nimmt mich in Kauf. Ihm geht's um Walo.«
    »Und wer ist das wieder?«
    »Walo?« Sie zeigte hoch zum Hotel. »Mein Mann. Walo Ögi.«
    »Sagt mir nichts.«
    »Wundert mich nicht. Künstler sind unfähig, über Geld nachzudenken, und er tut nichts anderes.« Sie lächelte. »Allerdings hat er eine Menge guter Ideen, wie man es wieder ausgeben kann. Du wirst ihn mögen. Weißt du, wer außerdem noch hier ist?«
    »Wer denn?«
    »Evelyn Chambers.« Heidruns Lächeln bekam etwas Maliziöses. »Schätze, sie wird dich ganz schön durch die Mangel drehen. Hier kannst du ja noch vor ihr weglaufen, aber da oben –«
    »Ich hab kein Problem, mit ihr zu sprechen.«
    »Wetten, du hast eines?«
    Heidrun drehte ihm den Rücken zu und begann den Pfad zum Hotel hinaufzusteigen. O'Keefe kam ihr nach. Tatsächlich hatte er ein sauriergroßes Problem, mit Evelyn Chambers zu sprechen, Amerikas Talklady Nummer eins. Er verabscheute Talkshows wie kaum etwas anderes auf der Welt. Schon ein Dutzend Mal, vielleicht auch öfter, hatte sie ihn zu Chambers eingeladen, ihrem quotengewaltigen Seelenstriptease, der Millionen sozial depravierter Amerikaner allfreitagabendlich vor den Bildschirmen versammelte. Jedes Mal hatte er abgesagt. Hier nun, ohne Gitter dazwischen, wäre er das Filetsteak und sie die Löwin.
    Schauderhaft!
    Sie passierten den Golfplatz.
    »Du
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