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Lilith

Lilith

Titel: Lilith
Autoren: Jennifer Schreiner , Daria Sarafin
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wenigen Sekunden hatte ich nicht einmal existiert und jetzt lebte ich und gab der Materie Namen.
    »Halt, das ist nicht richtig! Ich habe existiert. Ich habe es nur nicht gefühlt. Ich habe gewusst und ich bin gewesen. Aber was habe ich gewusst? Und was bin ich gewesen?«
    Entschlossen ließ ich meine Hand wieder sinken und versuchte mich auf meine Gedanken zu konzentrieren. »Was bin ich gewesen? Ich bin ein Teil gewesen? Ein Teil von was?« – »Und was bin ich jetzt?«
    Ich hörte mich wieder lachen. Lachte mich selber aus. »Wie kann man sich solche philosophischen Gedanken machen, wenn man so glücklich ist?«
    Gleichzeitig wusste ich, dass ich es liebte, mir Gedanken zu machen. Dass sie wichtig waren, größer als alle Empfindungen.
    Ein warmes, geborgenes Gefühl durchflutete mich: Meine Gedanken, nur meine! »Kann das sein? Was bin ich?«
    Ich hob meine Hand wieder und führte sie hoch, zu meinem Gesicht und berührte mich zum ersten Mal mit den Fingerspitzen. Warm, schön.
    »Ich bin ein Mensch. So einfach ist das und vorher war ich ein Teil.«
    Wieder lachte ich über meine eigenen Gedanken. Meine! Ich wusste, dass ich kein Teil mehr war, sondern ein Einzelwesen, ein Individuum und genoss das Gefühl auf einer Wiese zu liegen und die Wärme auf meiner Haut zu spüren.
    Vorsichtig blinzelte ich wieder.
    Ein blauer Himmel.
    Ehrfurcht stieg in mir hoch. Ehrfurcht und Liebe zu dieser Welt. Sie war perfekt. Ich war perfekt.
    Ich streckte meine Hand aus, betrachtete ihre Perfektion und die Reflexionen der Sonne auf ihr, die Schatten, die sie warf, bis mich ein Rauschen ablenkte.
    Als ich die Bäume sah, deren Blätter vom Wind bewegt wurden, sich aneinander rieben und miteinander rauschten, jubelte ich.
    Aufgeschreckt flog ein Vogel auf und ich erkannte, dass um mich herum tatsächlich Alles war.
    Verwirrt schlug ich die Hände vor meine Augen, um für einen Augenblick nicht mehr sehen zu müssen, weil ich befürchtete, mein Herz könnte vor Glück platzen.
    Ich fühlte wie sich Tränen in meinen Augenwinkeln sammelten, meine Wangen hinabliefen, weil mein Körper dieses Übermaß an Gefühlen kaum verkraftete. – Wieder musste ich lachen. »Wie kann man weinen, wenn die Welt so wunderbar ist?«
    Für einige Sekunden kam mir unendlich dumm vor, wie ich mitten im Gras saß und lachte und weinte und so glücklich war, dass ich die ganze Welt umarmen könnte.
    Entschlossen setzte ich mich auf und sah mich um.
    Ein anderes Ich.
    Und noch ein Ich. Ich war überrascht noch ein drittes Ich zu sehen.
    Es waren zwei Wesen, Menschen, wie ich.
    Sekunden später begriff ich, dass ich mich geirrt hatte.
    Eines der beiden Wesen war wie ich und doch war es ganz anders. »Ein Teil von mir? Die Hälfte von mir? Die Hälfte von einem Ganzen?« Der Gedanke behagte mir nicht. Warum sollte es zwei verschiedene Exemplare einer Gattung geben? Meine Überlegung behagte mir ebenso wenig, wie der Blick des Wesens, des Mannes.
    Er verstand meine Freude nicht. Meine Freude und Ausgelassenheit darüber, auf der Welt zu sein, als Individuum zu existieren.
    Sein Blick war besitzergreifend, so als gehöre ich ihm.
    Aber ich war kein Teil mehr! Von gar nichts. Innerlich jubilierte ich, denn so war es richtig, ich wollte frei sein.
    Dann sah ich das andere Wesen genauer und begriff. Ein leises Schuldgefühl durchströmte mich. Von diesem Wesen bin ich ein Teil gewesen.
    Ein Gefühl tiefster Liebe und Sehnsucht trieb mir die Tränen in die Augen. Ich begriff, dass dieses Wesen vollkommen war, obwohl ich fehlte und dass ich unvollkommen war.
    Es war Schönheit, es war Liebe, es war Alles.
    Das Wesen stand auf. »Ist es wie ich? Oder ist es wie er? Es ist beides. Es ist keines. Und ich bin nur eins.«
    Verwirrung schlug wie eine Welle über mir zusammen.
    Es kam auf mich zu. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz immer größer wurde, genau wie meine Sehnsucht, meine Liebe.
    »Jehova!«, hörte ich mich selber fasziniert flüstern, während ich das Wesen anstarrte.
    Jehova ist nur einer der Namen, die mir einfielen. Gott, Jahve, Allah. Alles. Alle Namen, die das Wesen jetzt schon hatte und noch haben würde, strömten auf mich ein und ich wusste, dass ich mir einen dieser Namen aussuchen konnte.
    Jahve klang meiner Meinung – ich hatte eine eigene Meinung, kam aber gar nicht dazu, diesen Umstand zu genießen – am schönsten, denn Jahve blieb vor mir stehen und schaute mich an.
    »Lilith!«, flüsterte Jahve meinen Namen, bevor ich einen Kuss auf
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