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Lilienzucht (German Edition)

Lilienzucht (German Edition)

Titel: Lilienzucht (German Edition)
Autoren: Sabine Röbke
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Dachgeschoß fegt und Josie innerhalb kurzer Zeit auskühlt. Hätte sie den Mund nicht mit einem übel riechenden Lappen gefüllt, könnte sie sich kaum noch beherrschen, ihre Zähne nicht aufeinander klappern zu lassen.
    Die junge Frau zählt die Sekunden zwischen Blitzen und Donner und lauscht dem Regen, der laut prasselnd auf Dach und Fenster klatscht. Es wird immer kälter...
    Urplötzlich wird die Tür mit einem lauten Poltern aufgerissen und Josie fährt erschrocken in sich zusammen ... soweit ihr das in ihrer beengten Lage möglich ist. Da sie der Tür den Rücken zugewandt hat und diese nicht einsehen kann, geht sie einfach davon aus, dass der Baron seine dringenden Geschäfte beendet hat und nun mit seinem „Spielchen“ fortfahren will. Leise seufzend schließt sie für einen Moment die Augen.
    Als sie sie wieder öffnet und erkennt, wer da ins Zimmer getreten ist, weiten sich ihre Augen und sie zieht überrascht die Luft ein ... was zur Folge hat, dass sie so viel Staub einatmet, dass sie ihn nun in einem wüsten Hustenanfall wieder aus ihren Lungen heraus befördern muss.
    Der große, gut aussehende Mann vor ihr beeilt sich, ihr den Knebel abzunehmen, die Stirn in tiefe Falten gelegt, während Josie in seinen dunkelbraunen Augen eine Spur von Erleichterung zu sehen meint. Unwillkürlich atmet sie auf.
    „Vielen Dank.“, sagt sie, als sie endlich wieder frei durchatmen kann und vergeblich versucht, den widerlichen Nachgeschmack in ihrem trockenen Mund loszuwerden. Immer noch verblüfft, starrt sie den breitschultrigen Mann vor sich mit großen Augen an. „Lord Croydon, wenn ich mich recht entsinne, Victor Croydon, nicht wahr? Sie sind ein Freund meines Bruders, oder?“
    „Richtig.“, antwortet der Earl lächelnd. „Wir sind uns, glaube ich, zum ersten Mal dieses Jahr auf der Geburtstagsparty Ihres Bruders begegnet.“
    „Stimmt“, fällt Josie wieder ein, „allerdings hatten wir nie die Gelegenheit, uns länger zu unterhalten.“ Errötend fällt ihr auf, dass er sie unverhohlen wohlwollend mustert, allerdings wirkt sein Blick dabei weniger gierig als vielmehr freudig überrascht und irgendwie ... fasziniert. Es dauert jedoch nur Sekunden, dann gelingt es Josie, ihre Verlegenheit in die hinterste Ecke ihres Gehirns zu schieben und stattdessen seine Blicke geflissentlich zu übersehen. „Ich hoffe, es war nicht verfrüht, Erleichterung über Ihr Erscheinen zu empfinden?“, fragt sie mit einem bittenden Blick auf ihre gefesselten Hände.
    „Oh, nein, nicht im Geringsten, Lady Josephine.“, antwortet der Earl mit einem breiten, freundlichen Grinsen. Er scheint in keiner Weise verlegen; entweder war er sich seines beinahe genüsslichen Gesichtsausdrucks von eben gar nicht bewusst ... oder seine unverblümten Blicke sind ihm nicht im Geringsten peinlich. Dummerweise geht Josie von Letzterem aus, was sie zugegebenermaßen ein wenig verwirrt.
    Viel Zeit hat sie allerdings nicht, darüber nachzudenken, denn er beginnt nun endlich, ihre Fesseln zu lösen.
    „Wer hat das hier mit Ihnen veranstaltet?“, will er wissen. Die Stirn in tiefe Falten gelegt, blickt er sie ernst an, während er sich an ihren Handgelenken zu schaffen macht; er schaut ganz so wie ihr großer Bruder früher, wenn er in der Schule ausgezogen war, um seine kleine Schwester vor gehässigen Mitschülern zu beschützen.
    „Lord Honeycutt“, antwortet sie, während es ihr gelingt, ein Lächeln zu unterdrücken. „dieser kleine, korpulente Baron aus Highgate.“
    „Aha.“, brummt Lord Croydon ärgerlich, schaut Josie jedoch schon einen  Moment später mit offensichtlicher Erleichterung in die Augen. „Ich bin wirklich froh, Sie gefunden zu haben.“, sagt er. „Nachdem Ihr Bruder mir heute Nachmittag aufgetragen hatte, ein wachsames Auge auf  Sie zu haben, beziehungsweise auf die Herren, die Ihnen vielleicht zu nahe treten könnten, ... und Lady Amalfia sich bitter beschwert hat, dass Sie nicht zu ihrer Verabredung erschienen sind, habe ich mir wirklich ernsthaft Sorgen gemacht. Ich bin jedenfalls froh, Sie hier einigermaßen wohlbehalten anzutreffen.“
    „Na ja, mehr oder weniger...“, seufzt die junge Frau mit einem müden Lächeln im Gesicht. Vorsichtig versucht sie, den bereits freien Arm zu lockern, was ihr allerdings nur mäßig gelingt, nicht zuletzt, weil sie kaum noch Gefühl darin hat.
    „Was ist denn genau passiert?“, fragt Lord Croydon leise und Josie wird mit einem Schlag wieder bewusst, dass sich das
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