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Lilienzucht (German Edition)

Lilienzucht (German Edition)

Titel: Lilienzucht (German Edition)
Autoren: Sabine Röbke
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weichen Schleier wahrnimmt.
    Der Earl hingegen hat nach seinem Handy gegriffen und sucht eine Nummer im Namensverzeichnis, die er schließlich auch findet und anwählt.
    Josie betrachtet ihn im Halbschlaf. „Warum läuft er eigentlich bei diesem Wetter in einem dunklen Anzug, mit langärmeligem Hemd, Weste und Krawatte herum...?“, überlegt sie im Stillen. „...und sieht dabei auch noch so gepflegt aus, als ob das Wort ‚Schwitzen’ für ihn gar nicht existent wäre...? – Er ist irgendwie merkwürdig...“, ist das Letzte, was sie denkt, bevor sie endgültig wegdämmert, „...und faszinierend...“
     
    Als sie eine halbe Stunde später am Ziel ankommen, sind die dunklen Wolken verschwunden und die Nachmittagssonne scheint, als habe es nie ein Gewitter gegeben. Nur die inzwischen klare Luft zeugt noch davon, dass ein Unwetter die Atmosphäre gereinigt hat.
    Jeffrey hat den Wagen direkt vor dem Haupteingang geparkt und steht nun vor der Hecktür, während er offensichtlich auf ein Zeichen seines Arbeitgebers wartet.
    Dieser weckt behutsam die schlafende Lady, die sich leise seufzend in die weichen Polster geschmiegt hat.
    „Wir sind da.“, sagt er, als sie endlich die Augen öffnet. „Willkommen auf Croydon Hall.“
    „Oh!“, ist das Einzige, was die junge Frau vorläufig hervorbringt. Noch ein wenig desorientiert erhebt sie sich und windet sich umständlich aus den Decken heraus.
    Nun erst gibt Lord Croydon ein Zeichen, dass die Wagentür geöffnet werden soll, worauf Jeffrey ebendies tut und, nachdem der Earl aus dem Wagen gestiegen ist, der Lady aus dem Fond hilft.
    „Vielen Dank, Jeffrey.“, sagt Josie ... und meint damit eigentlich mehr die Tatsache, dass er ihren ungewöhnlichen Aufzug mit solch vollendeter Selbstverständlichkeit übersieht.
    An der Haustür wird die kleine Gesellschaft bereits vom Hausmädchen erwartet, das einen flauschigen, weißen Bademantel über dem Arm trägt, den es Josie gleich beim Eintreten einfach über das Jackett zieht.
    Duft und Größe nach gehört das Kleidungsstücke dem Hausherrn und Josie muss ein wenig acht geben, dass sie beim Laufen nicht über den Saum stolpert, ... was Lord Croydon heimlich zu amüsieren scheint, wenn sie das  in ihrem ohnehin leicht irritierten Zustand richtig beurteilt. Josie muss selbst schmunzeln.
    Nach etlichen verwirrenden Biegungen und Abzweigungen findet sich Josie schließlich in einem kleinen Behandlungszimmer wieder, das wie eine etwas altmodische Landarztpraxis eingerichtet ist. Staunend blickt sie sich um, während der Earl sie auf die Behandlungsliege verfrachtet.
    „Ich wusste gar nicht, dass Sie Arzt sind.“, stellt sie verblüfft fest, als sie beobachtet, wie er ein Tablett mit Verbandszeug und anderen medizinischen Utensilien zurechtlegt. Er tut das offensichtlich nicht zum ersten Mal.
    „Das wundert mich nicht“, antwortet er lächelnd. „ich praktiziere auch nur für einen sehr kleinen Kreis von Privatpatienten. Und manchmal auf Veranstaltungen wie Poloturnieren. - Machen Sie sich bitte frei, damit ich Sie verarzten kann.“
    „Aha.“, macht Josie, während sie Bademantel und Jackett auszieht und beides dem Hausmädchen reicht. Dann sieht sie ihm fasziniert zu, wie er beginnt, sie fachmännisch zu verarzten; allerdings verwandelt sich die Faszination recht schnell in schmerzverzerrtes Zähneknirschen, als er beginnt, ihre zum Teil recht tiefen Kratzer zu versorgen.
    „Tut mir Leid, das muss leider sein.“, entschuldigt er sich, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
    „Schon gut.“, gibt Josie schulterzuckend zurück.
    „Haben Sie eigentlich Kopfschmerzen?“, fragt er unvermittelt und sieht sie forschend an.
    „Nur noch, wenn ich an die Beule an meinem Hinterkopf komme. – In der Dachkammer war es schlimm, aber da hab ich auch eine ziemlich lange Zeit in der prallen Sonne gestanden.“, erklärt sie.
    „Übelkeit?“
    „Zwischendurch war mir mal kurz schlecht, aber jetzt nicht mehr.“
    Ein Weilchen noch geht das Frage-Antwort-Spiel weiter, dann untersucht er sie gründlich. Das Hausmädchen hat inzwischen eine Flasche Wasser und frischen Tee gebracht und noch während sie behutsam abgetastet wird, reicht ihr das Mädchen ein großes Glas Wasser und ermuntert sie, zu trinken. Josie tut wie ihr geheißen und gibt das Glas schließlich mit einem dankbaren Lächeln zurück.
    Zuletzt versorgt der Earl ihre reichlich geschundenen Handgelenke, wobei Josie noch einmal kräftig die Zähne zusammenbeißen muss,
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