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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut
Autoren: Elisabeth Herrmann
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hatte … Lukas … im Wasser … sie fiel … sah ihn oben stehen, die Hand immer noch erhoben nach dem Stoß …
    »Du hast mich an Silvester ins Wasser geworfen! Du hast gewusst, dass wir dir auf der Spur sind!«
    »Ich wollte das nicht! Es war ein Versehen!«
    »Und Berti?« Ihre Stimme war fremd. Ganz hohl und leer, als ob ihre Stimmbänder aus Papier wären. »Berti war wohl auch nur ein Missgeschick? Ein Ausrutscher?«
    »Berti hat mich erpresst. Er hat gesehen, wie das mit Amelie passiert ist, weil er ihr die ganze Zeit nachgestellt hat. Er hat zwanzigtausend gekriegt und ist untergetaucht. Aber nach ein paar Wochen wollte er mehr. Und da wusste ich, dass er nie aufhören würde. Ich habe mich mit ihm am Alten Krahnen getroffen. Ich bin von hinten an ihn ran und habe ihn unter Wasser gehalten. So lange, bis er aufgehört hat, sich zu wehren. Es sollte nur ein Denkzettel sein.«
    »Lukas …«
    »Ich will das nicht«, schluchzte er. Er zielte. Die kleine schwarze Mündung war genau auf ihren Oberkörper gerichtet. »Ich will dir nicht weh tun. Aber du bist genau wie Amelie. Wir hätten so glücklich sein können. So glücklich …«
    »Was ist mit Kilian?«
    Er spannte den Hahn. »Das ist alles, was dich interessiert, ja? Dieser Dahergelaufende, dieser kranke Irre! Er ist tot. Und man wird ihn mit dieser Waffe in den Händen finden!«
    Ob es weh tat, erschossen zu werden? Kilian, dachte sie. Du musst leben. Du musst den anderen sagen, wie es war. Meiner Mutter vor allem. Sag ihr, dass ich den richtigen geliebt habe … Gleich würde es vorbei sein. Sie schloss die Augen. Ihr Körper verkrampfte sich wie vor einem schrecklichen Aufprall. Dann hörte sie ein Zischen und einen Schrei. Sie wartete auf den Einschlag der Kugel, aber als nichts geschah,
riss sie die Augen wieder auf und sah Lukas, der sich aufbäumte und die Arme in den Himmel reckte. Er warf den Kopf in den Nacken, und der Schrei ging in ein Röcheln über. Die Pistole fiel aus seiner Hand. Unendlich langsam kippte er nach vorne, fiel auf den Bauch und rutschte in die Senke. Einen Meter vor ihr blieb er liegen. In seinem Rücken steckte ein Messer.
    Noch bevor Sabrina schreien konnte, stand Kilian am Rand der Böschung. Er hob die Pistole auf und kam langsam zu ihr herunter. Vor Sabrinas Augen tanzten glühende rote Punkte. Sie versuchte, die Beine anzuziehen, denn Lukas bewegte sich und stöhnte, und sie wollte ihn auf keinen Fall berühren.
    »Hilfe«, wimmerte er.
    Kilian beugte sich zu ihm herab. »Kommt gleich. Die Polizei ist in ein paar Minuten hier.«
    Dann kam er endlich zu Sabrina. Mit einem Blick erkannte er, was mit ihrem Bein los war. Er sicherte die Waffe und schob sie sich vorne in den Hosenbund. Dann beugte er sich herab und nahm sie vorsichtig in die Arme.
    »Mein Gott. Was hast du durchgemacht. Ist alles okay? Das Bein ist nur gebrochen.«
    »Nur ist gut.«Mit einem tiefen Seufzen lehnte sich Sabrina an seine Brust. »Ich hatte so eine Angst um dich. Die ganze Zeit schon. Ich wollte nicht wegrennen, da eben gerade, aber es war der einzige Ausweg, damit ihr euch nicht gegenseitig umbringt. Lukas hat alles gestanden. Er hat nicht nur Amelie, sondern auch Berti umgebracht. Und dich auch noch, beinahe. Was ist denn passiert? Kilian?« Sie hob den Kopf und sah ihn an.
    Er hatte die Augen geschlossen. Sein Gesicht war so blass, dass es aussah wie aus Marmor gemeißelt.
    »Kilian?« Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, näher zu rücken. Sie legte den Arm um seine Schulter und schüttelte ihn sanft. »Kilian, mach die Augen auf! Bitte!«
    Sie fuhr mit der Hand unter seine Jacke, um seinen Herzschlag zu spüren. Erschrocken zog sie sie wieder zurück. Sie war nass von Blut.

    Hunde bellten. Rufe drangen von weit her.
    »Kilian«, flüsterte Sabrina. Fassungslos starrte sie auf den dunklen, roten Fleck, der sich auf seiner Brust ausbreitete. »Lass mich nicht allein. Nicht jetzt, wo alles gut ist. Kilian!«
    Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und schluchzte hemmungslos. Sie dachte an den Weinberg und an dieses Jahr, und dass es vielleicht das erste wäre, in dem Dobersteins Jüngster nach so langer Zeit wieder tragen würde. Und dass Kilian leben musste, weil es doch ein Jahrgang wäre, der vielleicht gar nichts Besonderes sein würde. An den sie sich aber ihr Leben lang erinnern würden.

ZWEIUNDDREISSIG
    Die nächsten Stunden zogen an Sabrina vorbei wie ein Film. Die Spürhunde waren die ersten. Ihnen folgten die Polizisten und
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