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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut
Autoren: Elisabeth Herrmann
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die Sanitäter. Sie gaben Lukas ein Betäubungsmittel, dann zogen sie das Messer aus der Wunde, legten einen Druckverband an und hievten ihn auf eine Trage.
    Ein Notarzt kümmerte sich währenddessen um Kilian. Er legte eine Transfusion und machte ein sorgenvolles Gesicht. »Enormer Blutverlust«, murmelte er. Dann schlug er Sabrina auf die Schulter, als wäre sie ein Mann. Sie jaulte auf vor Schmerz. »Aber er wird es schaffen. – Dann lass mal dein Bein sehen. Ist ja Großkampftag heute.«
    Mit zusammengebissenen Zähnen ließ Sabrina die Untersuchung über sich ergeben. Sie bekam ebenfalls eine Spritze, die die Schmerzen etwas linderte, dann wurde auch sie vorsichtig auf eine Trage gelegt.
    Mittlerweile waren Frau Fassbinder und Herr Tuch eingetroffen. In ihrem Gefolge befand sich der Ranger. Schraudt blickte schuldbewusst zu Boden, als Kilian an ihm vorbeigetragen wurde. Kilian war noch immer ohne Bewusstsein.
    »Das hätte gar nicht so weit kommen dürfen!« Die Kommissarin warf einen wütenden Blick auf Sabrina, der sie wohl die Verantwortung für die ganze fatale Situation zuschob. »Wenn Sie uns informiert hätten, wo die Désirée liegt, wären wir schon viel früher gekommen.«
    »Sie hätten den Falschen verhaftet«, murmelte Sabrina.
    Das Schmerzmittel begann zu wirken. Sie wurde müde. Mit letzter Kraft holte sie das Papierknäuel aus ihrer Tasche und drückte es der verblüfften Kommissarin in die Hand.
    »Was … was ist das?«
    Aber Sabrina war schon eingeschlafen.

    Es dauerte Wochen, bis Sabrina wenigstens humpeln konnte. Das Bein blieb noch eine Weile länger in Gips, und so erlebte sie zum ersten Mal, seit sie denken konnte, einen Frühsommer ohne Weinberg. Dass sie trotzdem wusste, wie es oben in den Reben aussah, verdankte sie Beate. Fast jeden Tag kam ihre Freundin vorbei und kraxelte hinauf auf Dobersteins Jüngsten. Unter Franziskas Anleitung pflanzte sie Kerner, Scheurebe und Riesling. Es war nicht zu erwarten, dass in diesem Jahr schon eine nennenswerte Ernte zustande kommen würde. Aber selbst wenn sie nur zehn Trauben zusammenbekämen – sie würden sie auspressen und daraus Wein keltern.
    Lukas erholte sich erstaunlich schnell. Das Messer war durch die Rippen gedrungen und hatte glücklicherweise Lunge und Herz verfehlt. Lukas kam direkt aus dem Krankenhaus in Untersuchungshaft. Den Mord an Amelie hatte er gestanden, wenn auch sein Anwalt ihn sofort in einen Unfall mit Todesfolge ummünzte und ihm verbot, auch nur ein weiteres Wort zu sagen. Kreutzfelder senior hatte über Nacht graue Haare bekommen. Er trank keinen einzigen Tropfen mehr. Beate erzählte, dass sie ihn schon ein paar Mal oben am Berg getroffen hatte. Er hatte sie nicht erkannt. Er war ein gebrochener Mann. Das Gutachten der Gemeinde hatte ergeben, dass eine Verlegung der Bahntrasse nicht infrage kam. Der Rosenberg war nicht stabil genug für den Güterfernverkehr, aber für den Weinanbau allemal. Das Thema war vom Tisch. Kreutzfelder erwähnte den Weinberg nie mehr.
    Die Polizei hatte Lukas’ Konten überprüft und festgestellt, dass 20.000 Euro zu dem fraglichen Zeitpunkt abgehoben worden waren. Sabrinas Aussage war der Eckpfeiler, auf den die Staatsanwaltschaft eine weitere Mordanklage bauen konnte. Ob Bertis Tod aber jemals gesühnt wurde, kam darauf an, ob weitere Indizien gefunden werden konnten. Richter Gramann erzählte jedem, ob er es hören wollte oder nicht, dass die Polizei auch nicht mehr das war, was sie mal war. Er ließ sich die weiteren Entwicklungen von Beate vorlesen, die
ansonsten den Mund hielt und von einem Monat Hausarrest ganze drei Tage absaß, ohne zu klagen.
    »Danke noch mal, dass du mich da rausgehalten hast«, sagte sie eines Nachmittags, als sie nebeneinander auf der Bank vor dem Haus saßen. Sabrina legte ihr Gipsbein stöhnend auf einem Hocker ab. »Du weißt ja, wir und Polizei …«
    Sie brach ab, denn gerade kam Franziska mit einem Tablett aus dem Haus, auf dem ein Berg Muffins und Donuts lag. Sie stellte es auf dem Holztisch ab. »Brauchst du noch was?«
    Sabrina schüttelte den Kopf. Franziska beugte sich herab und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, der ihrer Tochter ein bisschen peinlich war. Franziska herzte und küsste sie neuerdings in einer Tour. Sie entschuldigte das mit der Todesangst, die sie ausgestanden hatte. Selbst jetzt, Wochen nach den schrecklichen Ereignissen, überkamen sie immer wieder zärtliche Impulse.
    »Mein Mädchen.« Franziska strich ihr über den Kopf
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