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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Schiff, und ich werde seine Königin sein … Er nimmt mich mit!
    Die letzten Worte waren mehrfach unterstrichen. Sabrina starrte auf den Jubel, der jetzt noch durch die Zeilen schimmerte, und dann begriff sie.
    In ihr explodierte eine dunkle Wolke aus Schmerz. Ihr Verstand weigerte sich zu begreifen, was sie da in den Händen hielt. Aber ihr Herz sackte irgendwohin ins Bodenlose, wo es zerschmettert liegen blieb.
    Es gab nur eine Erklärung, wie die Blätter in den Sack gekommen waren. Kilian hatte sie die ganze Zeit auf der Désirée versteckt. Egal, wie er in ihren Besitz gekommen war,
er hatte sie belogen. Warum?, schrie alles in ihr. Warum hast du das getan?
    »Sabrina?«
    Sie fuhr herum. Kilians Kopf tauchte an der Luke auf, die Haare vom Schlaf ganz zerstrubbelt, sein Blick auf der Suche nach ihr. Dann entdeckte er sie. Und dann sah er, was sie in den Händen hielt.
    »Was zum Teufel -«
    »Woher hast du das?« Sabrina sprang auf. Die Angst peitschte ihren Puls in die Höhe. »Das ist aus Amelies Tagebuch. Es beweist, dass sie geblieben ist. Hörst du? Sie ist geblieben!«
    Seine Augen verengten sich. Ganz langsam stieg er die letzten Stufen der Treppe hinauf, und erst jetzt sah sie, dass er sein Messer in der Hand hatte.
    »Ganz ruhig«, sagte er. »Ganz ruhig. Wir können über alles reden.«
    Er legte das Messer auf dem Boden ab, und diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte sie. Sie kletterte über die Bordwand und sprang hinunter. Sie hörte noch seinen Schrei, und dann stach das Wasser auf ihren Körper ein wie mit tausend glühenden Nadeln.
    »Sabrina! Komm zurück!«
    Sie geriet in Panik. Silvester. Raketen. Ein Stoß. Fremde, erschrockene Gesichter. Lukas … Lukas! Er hatte sie im Griff und gerettet, doch in dieser Sekunde war keiner da, der ihr die Hand reichen konnte. Sie schlug um sich, strampelte, bekam festen Boden unter die Füße und stellte instinktiv fest, dass das Wasser ihr gerade bis zu den Hüften reichte. Sie pflügte durch die seichte Uferströmung und jagte dann die Böschung hoch. Hinter sich hörte sie Kilian.
    »Sabrina! Sabrina!«
    Entsetzen packte sie. Endlich hatte sie den Trampelpfad erreicht und jagte auf die Biegung zu. Das Wasser in ihren Schuhen platschte bei jedem Schritt, die nasse Kleidung hing schwer wie ein Kettenhemd an ihr. Sie klapperte vor Kälte mit
den Zähnen. Als sie sich kurz umdrehte, holte Kilian gerade den Steg und legte ihn an. Er würde ihr folgen. Sie sah auf das nasse Papier in ihren Händen. Amelie. Auch sie war vor ihrem Mörder davongerannt. Hinein in den Wald, völlig kopflos, getrieben von der Angst vor ihm … vor ihm …
    Sabrina rannte weiter. Die Kälte war wie ein zäher Sirup, durch den sie sich kämpfen musste. Ihre Beine wurden immer schwerer, Äste peitschen ihr ins Gesicht. Es konnte doch nicht so weit sein bis zur Kleingartenkolonie? Irgendjemand würde da sein, würde ihre Hilferufe hören … Sie hielt kurz an, aber ihr Keuchen war zu laut, als dass sie etwas hätte wahrnehmen können. Ihr Blick irrte über die Stämme, die dicht an dicht um sie herumstanden. Ein Schatten … Sie kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf. Hinter ihr knackte dürres Holz. Blitzschnell drehte sie sich um, aber da war nichts. Sie hastete weiter, und endlich sah sie ein Licht durch die Bäume geistern. Es kam von der Straße. Sie musste in ihrer Panik in die falsche Richtung gelaufen sein und hatte die Kleingartenkolonie links liegen gelassen.
    Ein Auto fuhr mit aufgeblendeten Scheinwerfern über die Buckelpiste. Sabrina rannte darauf zu und breitete die Arme aus. Es war ihr egal, wem sie da vor die Kühlerhaube lief. Hauptsache, sie kam weg. Geblendet schloss sie die Augen. Der Wagen hupte, hupte noch einmal, dann quietschen Bremsen.
    »Sabrina?«
    Sie öffnete die Augen.
    Lukas riss die Fahrertür auf und sprang auf die Straße. »Mein Gott! Was ist denn mit dir passiert?«
    »Lukas!« Sie fiel in seine ausgebreiteten Arme. Die Beine knickten ihr weg. Halb trug, halb schob er sie zum Auto und bugsierte sie auf den Beifahrersitz. Ihre Finger waren zu steif, um sich anzuschnallen. Sie zitterte am ganzen Körper. Noch immer tropfte Wasser aus ihren Haaren.
    »Fahr los!«, schrie sie. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie sah in den Rückspiegel, aber Kilian war ihr nicht gefolgt.

    »Alles okay?«
    Langsam ruckelte der Wagen los. Sabrina nickte. Ihre Nase lief und ihre Hände waren völlig zerkratzt. Sie wollte nicht wissen, wie sie sonst noch
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