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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut
Autoren: Elisabeth Herrmann
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aussah, denn jedes Mal, wenn Lukas sie mit einem kurzen Seitenblick streifte, lag eine Mischung aus Entsetzen und Angst in seinem Blick.
    Sie drehte sich um und sah noch einmal zurück. Lukas kam viel zu langsam voran.
    »Was machst du denn hier?«, fragte sie.
    »Beate hat mir gesagt, wo du bist.«
    »Beate?«
    Sie setzte sich wieder hin und schaute nach vorne. Dann klaubte sie ihr neues Handy aus der Hosentasche. Ein Blick auf das Display bestätigte ihr, dass es den Sprung ins Wasser nicht überlebt hatte.
    »Ja«, sagte er. »Sie war außer sich vor Sorge. Ich auch. Wie kannst du nur so wahnsinnig sein und zu diesem Mörder aufs Schiff gehen? Er hätte dich umbringen können!«
    Sabrina fielen die Tagebuchblätter ein. Panisch tastete sie die Taschen ihrer Jacke ab und fand sie – aufgeweicht, aber immer noch lesbar.
    »Was ist das?«
    »Blätter aus Amelies Tagebuch.«
    Lukas’ Augen glitzerten vor Triumph. »Sag bloß, du hast sie auf dem Schiff gefunden? Wir müssen damit zur Polizei. Sofort. Ich rufe an, sobald wir hier raus sind.«
    Schlagloch reihte sich an Schlagloch. Wieder schaute Sabrina zurück. Ihr Herz raste noch immer. Was, wenn sie hier liegen blieben? Wenn Kilian plötzlich wieder auftauchte, das Messer in der Hand? Ihre Zähne klapperten so laut, dass es sogar Lukas auffiel.
    »Du bist ja klatschnass! Nimm meine Jacke. Sie liegt auf dem Rücksitz.« Er stellte die Heizung noch etwas höher und wischte mit dem Handrücken über die beschlagene Frontscheibe. »Endlich haben sie ihn. Nach fast einem Jahr! Das muss man sich mal überlegen. Die Polizei ist blind, und du
setzt dein Leben aufs Spiel, um diesen Mörder dingfest zu machen!«
    Sabrina wickelte sich in die Jacke ein und versuchte, ihr Zittern unter Kontrolle zu bringen. Sie stand unter Schock, das war ihr selbst klar, genau wie an Silvester.
    »Aber jetzt bist du in Sicherheit. Ich lasse dich nicht mehr aus den Augen, versprochen. Es tut mir wirklich leid, wie ich mich benommen habe. Kannst du mir verzeihen? Sabrina?«
    Sie wandte den Kopf ab. Konnte er sie nicht in Ruhe lassen? Sie wollte nicht über Lukas nachdenken. Sie musste erst einmal begreifen, was gerade geschehen war. Ihr war so kalt, so unendlich kalt … Sie zog Lukas’ Jacke noch enger um sich. Ein Ärmel hing herab, an ihm befand sich ein winziger weißer Fleck. Sie sah genauer hin. Es waren Farbspuren.
    Die Erkenntnis sickerte wie glühendes Blei in ihre eiskalten Glieder.
    »Du …«
    Sie drehte sich zu ihm hin. Lukas trug eine Jeans. Sie war feucht bis zu den Oberschenkeln.
    »Du warst auf dem Schiff.«
    Seine Hände umklammerten das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. In Sabrinas Kopf begannen sich langsam die Gedanken zu drehen. Wie uralte verrostete Zahnräder griff der eine in den anderen: Kein zweiter Beamter der Wasserschutzpolizei, sondern Lukas war da oben herumgeschlichen.
    »Was wolltest du?«
    Lukas mahlte mit dem Unterkiefer.
    »War es das?« Sie hielt ihm das feuchte Papierknäuel unter die Nase.
    Lukas trat so fest auf die Bremse, dass sie fast an die Windschutzscheibe geschleudert wurde. Er drehte sich zu ihr um. »Raus.«
    »Wie bitte?«
    »Raus!«
    Er zog den Zündschlüssel ab, sprang aus dem Wagen und
lief auf Sabrinas Seite. Er machte die Tür auf und zerrte sie auf die Straße. Sabrina riss sich los, der Zündschlüssel flog in hohem Bogen irgendwo in eine Pfütze.
    »Bist du jetzt völlig verrückt geworden?«, schrie sie.
    »Ich?« Lukas griff wieder nach ihr, aber Sabrina konnte hinter die Wagentür ausweichen. In seinen Augen lag ein kalter, gefährlicher Glanz. »Ich bin doch nur der Trottel vom Dienst. Heute so, morgen so. Eben noch Retter, dann der Mörder. Und zwischendurch mal Chauffeur, der euch zu euren Kerlen bringen darf.« Er ging an der Tür vorbei und schlug sie zu. Es klang wie ein Pistolenschuss.
    Ohne ihn aus den Augen zu lassen, stolperte Sabrina zwei Schritte zurück. »Das ist nicht wahr. Du hast mir viel bedeutet.«
    »Viel bedeutet!«, höhnte er. »Das hat deine Freundin Amelie ein bisschen anders ausgedrückt. Zum Angeben hat es gereicht. Ein schönes Boot, ein toller Wagen, und immer der, der die Rechnung zahlt. Aber wenn man haben will, wofür man zahlt, dann heißt es: ›Geh nach Hause, Lukas. Geh nach Hause!‹« Seine Stimme zitterte vor mühsam unterdrückter Wut.
    »Hast du sie deshalb umgebracht?« Sabrina wusste nicht, woher sie den Mut nahm, diese Frage zu stellen. Keine Menschenseele war zu
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