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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut
Autoren: Elisabeth Herrmann
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und setzte sich neben sie. Sie legte die Hände in den Schoß und schaute durch das offene Hoftor hinaus auf die Straße. »Wann kommt er denn?«
    »Um drei«, antworteten Sabrina und Beate wie aus der Pistole geschossen.
    Franziska nickte. So ganz angefreundet hatte sie sich noch nicht mit dem Gedanken, gleich den Mann kennenzulernen, der ihre Tochter in Lebensgefahr gebracht hatte. Sabrina versuchte zwar jedes Mal, ihre Befürchtungen mit dem Hinweis darauf zu entkräften, dass er sie schließlich auch gerettet hatte. Aber ihre Argumente prallten ab an Franziskas mütterlicher Logik. Wäre Kilian nicht aufgetaucht, wäre das alles nicht passiert.
    Und ich wäre der Liebe meines Lebens vielleicht nie begegnet, dachte Sabrina. Vielleicht wäre ich ja trotzdem mit Lukas zusammengekommen und alles wäre gut und friedlich und durchschnittlich schön. Ich würde mich vielleicht nur ab und zu fragen, ob nicht etwas fehlt. Aber weil ich es nie kennengelernt hätte, würde ich auch das schnell wieder vergessen. Ich
würde weiter die Träume anderer träumen, und Lukas wäre ein anständiger Mann geblieben. Keiner würde ahnen, dass tief in ihm etwas war, für das er bereit gewesen war zu morden.
    Sabrina fröstelte.
    »Ist dir kalt?«, fragte ihre Mutter.
    Aber sie kam nicht dazu, zu antworten. Ein Taxi quälte sich durch die enge Straße und hielt. Sabrinas Herz begann zu rasen, wie jedes Mal, wenn sie Kilian begegnete. Auch wenn sie seit diesen schrecklich-schönen Stunden auf der Désirée nie mehr allein gewesen waren – die Gefühle waren geblieben. Und sie wurden stärker und tiefer mit jedem Tag.
    Er stieg aus, und es war um Franziska geschehen. Kilian war der personifizierte Schwiegermuttertraum mit genau jenem Hauch wilder Verwegenheit, der die Herzen jedes Alters brach. Er trug nachtblaue Röhrenjeans, dazu – Sabrina musste zweimal hinsehen – ein englisches Tweedsakko mit offenem Hemd, und hatte die Haare so weit gekürzt, dass sie ihm nur noch in wilden, ungezähmten Wellen in die Stirn fielen.
    »Mjam«, flüsterte Beate.
    Sabrina boxte sie in die Seite und konnte nur mühsam ein Kichern beherrschen.
    Franziska stand auf. Kilian begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. Er bewegte sich immer noch vorsichtig und sehr bedacht. Kein Wunder, denn er war dem Tod nur um Haaresbreite entgangen und erst seit ein paar Tagen aus dem Krankenhaus entlassen. Die Kugel hatte schwere innere Blutungen hervorgerufen, und wenn die Hilfe nicht so schnell gekommen wäre … Sabrina wagte nicht weiterzudenken. Die Ärzte hatten Kilian operiert, und dann war es ziemlich schnell bergauf gegangen.
    Franziska bugsierte Kilian zum Tisch und eilte ins Haus, um Kaffee zu holen.
    »Sie mag dich«, flüsterte Sabrina mit leuchtenden Augen.
    »Natürlich«, gab er zurück. »Sie ist eine kluge Frau und weiß, dass sie mich die nächsten fünfzig Jahre ertragen muss.«
    Beate prustete. Aber an ihre Art hatte Kilian sich mittlerweile
gewöhnt. Im Gegensatz zu Lukas hatte Beate an ihm nicht das Geringste auszusetzen.
    »Wie geht es dir?«, fragte Sabrina.
    »Alles bestens. Die Désirée ist auch wieder freigegeben, also kann ich nächste Woche los.«
    Sabrina sah ihn verblüfft an. »Was heißt das?«
    »Ich fahre nach Rotterdam. Vielleicht hast du Lust, mitzukommen?«
    »Aber …«
    Davon war nie die Rede gewesen. Sie hatte instinktiv geglaubt, Kilians Vagabundenleben sei zu Ende. Mit einem Mal wurde ihr klar, wie wenig sie sich eigentlich kannten. Beate schaute von einem zum anderen, nahm sich ein Muffin und biss hinein.
    »Es ist eine schöne Strecke. Nur zwei Tage, und du bist wieder zurück und kannst in deinen Weinberg.«
    Mit einer Grimasse deutete Sabrina auf ihr Gipsbein.
    »Ach, das geht schon. Ich schnalle dich oben an Deck fest. Da kann nichts passieren.«
    Beate verschluckte sich an ihrem Muffin. Sie hustete zum Gotterbarmen. Franziska kam zurück und stellte eine Kanne Kaffee auf den Tisch. Kilian lächelte sie an.
    »Ich wollte Sabrina fragen, ob sie mit nach Rotterdam kommt.«
    Eine kleine Falte bildete sich auf Franziskas Stirn. Sabrina hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Das war immerhin der Antrittsbesuch ihres Liebsten. Rotterdam und die weite Welt war nicht das Thema, das hier auf den Kaffeetisch gehörte.
    »Und was willst du da?« Die Freundlichkeit in Franziskas Stimme war verschwunden.
    »Rübenschnitzel«, antwortete Kilian und grinste, als er die allgemeine Verwirrung in den Gesichtern bemerkte.
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