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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Süße. Sabrina! Schön, dass du mal wieder vorbeischaust. Wie geht es dir?«
    »Danke, gut. Endlich Ferien.«
    »Wollt ihr was essen? Ich mach euch schnell was.«
    Wanda machte Anstalten, sich aus dem Sessel zu wuchten,
aber Amelie schüttelte den Kopf. »Nein, wir ziehen nur schnell andere Klamotten an. Wir waren mit Lukas und seinem Boot unterwegs und sind nass bis auf die Knochen.«
    »Ah, Lukas.« Wandas kleine Augen strahlten und verrieten, was sie von der Bekanntschaft ihrer Tochter mit einem Sohn aus bester Familie hielt. Aber sie fragte nicht weiter, denn Amelie war schon aus dem Zimmer geschlüpft.
    Sabrina folgte ihr und fragte sich wieder einmal, welches von Wandas Problemen wohl zuerst da gewesen war: das Fernsehen oder ihr Gewicht. Beides hatte jedenfalls miteinander zu tun.
    Doch sie behielt ihre Gedanken für sich. Amelie sprach nicht darüber. Sabrina war die Einzige, die sie ab und zu auch einmal zu Hause besuchte. Sabrina hatte den Verdacht, dass Amelie nicht sehr stolz auf ihre Eltern war. Das führte dazu, dass Sabrina immer, wenn sie aus dem Waldviertel zurück nach Leutesdorf kam, das Gefühl hatte, in eine trotz Scheidung heile Welt zu kommen. Sie gab Franziska dann einen besonders schallenden Kuss und spürte, dass es wenige Dinge gab, die wirklich wichtig waren. Sich seiner Eltern nicht zu schämen, war eines davon.
    Amelie hakte das Bikinioberteil auf, zog es aus und wühlte in ihrem Kleiderschrank herum. »Das hier?«
    Die beiden Mädchen waren trotz des Altersunterschiedes gleich groß. Aber Sabrina hatte eine schlanke, sportliche Figur und zu ihrem heimlichen Kummer nichts, was auch nur annähernd die Anschaffung eines BHs in Körbchengröße B berechtigt hätte. Amelie hingegen war sehr weiblich und hatte einen wunderschönen, vollen Busen, den sie gerne mit tief ausgeschnittenen, eng anliegenden Kleidern betonte.
    »Geht gar nicht«, antwortete Sabrina. Sie würde aussehen, als hätte sie zwei leere Einkaufstüten vor der Brust.
    Mit einem Schulterzucken hängte Amelie das Kleid wieder auf die Stange. »Ach, guck mal. Aus dem bin ich raus.« Sie hielt Sabrina ein gewagtes Oberteil in Hibiscusrot entgegen.
    Die nahm es mit spitzen Fingern vom Bügel und hielt es
hoch. »Das geht auch nicht. Ich hab doch nichts, was da reinpasst.«
    »Probier es einfach mal an. Hier, die Jeans. Mit einem Gürtel müsste sie dir passen.« Sie warf die Hose auf ihr Bett und wühlte gleich wieder im Schrank herum, um für sich selbst etwas Passendes zu finden.
    Sabrina zog die feuchten Sachen aus und legte sie über die Lehne eines Stuhls, der vor einem unaufgeräumten Schreibtisch am Fenster stand.
    Amelies Zimmer war cool. Zumindest kannte Sabrina niemanden, dem man ein solches Chaos hätte durchgehen lassen. Die Wände waren über und über mit Postern behängt. Meist waren es Heavy-Metal-Gruppen oder Filmstars wie Heath Ledger und Johnny Depp in gruseliger Aufmachung. Auf dem Boden neben dem Bett stapelten sich Zeitschriften und auf dem Kleiderschrank hockte ein zerrupfter Teddybär. Sabrina hatte Schwierigkeiten, sich vorzustellen, was ein Lukas Kreutzfelder zu diesem Stil sagen würde. Aber dank Amelies »Strategie« schien Lukas derart Feuer gefangen zu haben, dass ihm auch das wohl egal wäre.
    »Seht ihr euch nun heute Abend oder nicht?«
    Amelie warf ein weiteres, in Frage kommendes Outfit zu den anderen aufs Bett. »Ich weiß nicht. Er ist nett. Aber …« Nachdenklich setzte sie sich neben den Kleiderhaufen. »Er hat mir richtig weg getan.« Sie deutete auf einen kleinen blauen Fleck an ihrem Oberarm.
    »Er wollte dich nur daran hindern, mit siebzig Sachen in ein Containerschiff reinzukrachen.«
    »Ja, ich weiß. Aber mit dir hätte er das nicht gemacht.«
    Sabrina zog gerade die Jeans an und hopste auf einem Bein auf ihre Freundin zu. »Wie, mit mir nicht?« Sie setzte sich zu Amelie. »Mich hätte er wahrscheinlich direkt über Bord geworfen. – Die ist übrigens zwei Nummern zu groß.«
    »Zu dir ist er anders.«
    »Quatsch. Weil er in dich verknallt ist und nicht in mich.«
    »Nein. Du bist … aus einer anderen Familie.«

    Sabrina verdehte die Augen. Das schon wieder. Amelie hatte einen ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex, was ihre Herkunft betraf. Zugegeben, Sabrina hielt das Waldviertel auch nicht gerade für die schönste Ecke von Andernach. Und Eltern, von denen der Vater im Pessimismus und die Mutter im Fernsehsessel versank, waren eine echte Herausforderung. Aber Amelie war
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