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Lieder von Sternen und Schatten

Lieder von Sternen und Schatten

Titel: Lieder von Sternen und Schatten
Autoren: George R. R. Martin
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war: »Jamson Welt. Arik uns mitnehmen. Engel töten.« Das hatte sie endlos wiederholt, bis Ryther ihr schließlich begreiflich gemacht hatte, ja, man werde sie mitnehmen, die beiden anderen Jaenshi, die Schwangere und der männliche Jaenshi mit dem Lasergewehr, sagten nie etwas.
    »Wieder Figuren«, erklärte der Matrose, nachdem er eine Kiste vom Stapel im aufgerissenen Lagerraum gezerrt und sie geöffnet hatte.
    Ryther zuckte die Achseln; der Matrose ging weiter. Sie drehte ihm den Rücken zu und schlenderte langsam hinaus, zum Rand des Landefeldes, wo die ›Lights of Jolostar‹ stand, mit offenen Luken, die in der zunehmenden Dunkelheit von gelbem Licht erhellt waren. Die Jaenshi folgten ihr, wie sie es getan hatten, seitdem sie gelandet war; zweifellos fürchteten sie, daß sie davonfliegen und sie zurücklassen würde, wenn sie ihre großen Bronzeaugen auch nur kurz von ihr abwendeten.
    »Figuren«, murmelte Ryther, halb zu sich, halb zu den Jaenshi.
    Sie schüttelte den Kopf. »Warum hat er das getan?« fragte sie die Wesen, obwohl sie wußte, daß sie nichts verstanden. »Ein Händler von seiner Erfahrung? Ihr könntet es mir vielleicht verraten, wenn ihr wüßtet, was ich sage. Statt sich auf Totentücher und dergleichen zu konzentrieren, auf echte Jaenshi-Kunst, warum hat Arik euch beigebracht, fremde Abarten menschlicher Götter zu schnitzen? Er hätte wissen müssen, daß kein Händler derart offenkundige Fälschungen annimmt. Fremde Kunst ist fremd.« Sie seufzte. »Mein Fehler, nehme ich an. Wir hätten die Kisten öffnen sollen.« Sie lachte. Die Bittere starrte sie an.
    »Arik Totentuch. Gegeben.«
    Ryther nickte geistesabwesend. Sie hatte es über ihre Koje gehängt; ein seltsames, kleines Ding, zum Teil aus Jaenshi-Fell gewoben, zum größten Teil aber aus langen, seidigen Strängen von flammend rotem Haar. Darauf, grau vor Rot, war eine grobe Karikatur von Arik neKrol zu erkennen. Sie hatte sich auch darüber ihre Gedanken gemacht. Der Tribut einer Witwe? Eines Kindes? Oder nur eines Freundes? Was war in dem Jahr, seit die ›Lights‹ fort war, mit Arik geschehen? Wenn sie nur rechtzeitig zurückgekommen wäre, dann ... aber sie hatte drei Monate auf Jamisons Welt verloren, von einem Händler zum anderen unterwegs, um zu versuchen, die wertlosen Figuren abzusetzen. Es war Mitte Herbst geworden, bevor die ›Lights of Jolostar‹ nach Corlos zurückgekommen war und neKrols Stützpunkt als Ruine vorgefunden hatte, während die Engel schon ihre Ernte einbrachten.
    Und die Engel – als sie zu ihnen gegangen war, um ihnen die Ladung unverlangter Lasergewehre anzubieten, hatte der Anblick an den blutroten Stadtmauern sogar ihr Übelkeit verursacht. Sie hatte geglaubt, vorbereitet hingegangen zu sein, aber das Obszöne, dem sie begegnete, lag jenseits aller Vorbereitung. Eine Abteilung von Stahlengeln hatte sie vor dem hohen, verrosteten Stahltor gefunden, wo sie sich erbrochen hatte, und sie hineingeführt zum Proktor.
    Wyatt war doppelt so skeletthaft wie beim erstenmal. Er hatte im Freien gestanden, vor einem riesigen Altar, der mitten in der Stadt errichtet worden war. Eine erstaunlich lebensechte Statue von Bakkalon, in einer Glaspyramide eingeschlossen, auf einem hohen Rotsteinsockel, warf einen langen Schatten auf den hölzernen Altar. Darunter häuften die Engel das neugeerntete Neogras, den Weizen und die gefrorenen Kadaver von Buschschweinen auf.
    »Wir brauchen Ihre Ware nicht«, hatte der Proktor ihr erklärt. »Die Welt von Corlos ist in vielem gesegnet, mein Kind, und Bakkalon lebt nun unter uns. Er hat gewaltige Wunder gewirkt und wird noch mehr wirken. Unser Glaube gilt IHM.« Wyatt wies mit einer dünnen Hand auf den Altar. »Siehst du? Und ER hat uns gelehrt, uns in Frieden zu bergen, wie wir vorher im Kampf geborgen waren, damit der Samen der Erde noch stärker werde. Es ist eine Zeit großer neuer Offenbarung.« Seine Augen hatten gelodert, als er mit ihr gesprochen hatte; die Augen hatten hin und her gezuckt, fanatisch, riesengroß und dunkel und doch seltsam goldgefleckt.
    Ryther hatte die Stadt der Stahlengel verlassen, so schnell sie konnte, angestrengt bemüht, nicht zu den Mauern zurückzublicken. Aber als sie die Berge erklommen hatte, auf dem Rückweg zum Stützpunkt, war sie zu dem Ring-aus-Stein gekommen, zu der zerstörten Pyramide, zu der Arik sie damals hingeführt hatte. Da hatte Ryther gespürt, daß sie nicht widerstehen konnte, und machtlos hatte sie sich
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