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Liebster Mitbewohner

Liebster Mitbewohner

Titel: Liebster Mitbewohner
Autoren: Fiona Winter
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ich in Hörweite, drehte sich der Kunde plötzlich abrupt um und verließ das Geschäft. Ich hörte meine Freundin seufzen. Ihre großen braunen Augen richteten sich gen Decke, als betete sie, heute von ähnlichen Kunden verschont zu bleiben.
    „Schlechter Start in den Tag?“
    Elenas Blick fiel auf mich. Sie lächelte.
    Sofort fühlte ich mich besser.
    „Ich weiß nicht, warum die Problemkunden sich immer mich aussuchen. Ich an ihrer Stelle würde zu Heike gehen. Im Gegensatz zu ihr hängt über meinem Kopf schließlich kein Schild, auf dem Information draufsteht.“
    „Aber du wirkst kompetent. Perfektes Make-up, perfektes Business-Outfit mit Pumps, dunklem Rock und Bluse. Du hast die Ausstrahlung einer Bankkauffrau. Ich würde sofort einen Bausparvertrag bei dir abschließen.“
    „Hör doch auf.“ Sie grinste. „Schöner Rock, übrigens.“
    „Danke.“ Ich strahlte. Wir schlenderten Richtung Kasse, wo ein Kunde stand und in 2-Sekunden-Intervallen ungeduldig zu uns herüber blickte.
    „Hat Frau Schneider nicht gefallen, oder?“
    „Woher weißt du das?“
    „Naja… “ Elena, die ihre Kasse bereits angemeldet hatte, scannte das Buch des Mannes mittleren Alters.
    „Wurde ja auch langsam Zeit“, beschwerte sich der Kunde und rückte seine Krawatte zurecht.
    „Der ist doch wirklich nicht übertrieben!“, protestierte ich.
    „Naja… “ Elena blickte mich vielsagend an.
    „Vielleicht könnten Sie Ihren Kaffeeklatsch auf die Pause verschieben? Es gibt Leute, die zur Arbeit müssen.“ Der Kunde wedelte mit seinem 20-Euro-Schein vor Elenas Nase herum.
    „Muss ja eine extrem wichtige Position sein, wenn man um halb zehn Uhr vormittags noch Zeit zum Shoppen hat“, flüsterte ich. „Da will ich auch arbeiten.“
    Elena presste die Lippen zusammen und schob das verkaufte Buch in eine Plastiktüte. „Schönen Tag noch“, presste sie hervor, doch konnte sich ein Kichern nicht ganz verkneifen.
    Mit rotem Kopf rauschte der Kunde ab.
    Elena schlug mich auf den Oberarm. „Keine Witze, während ich abkassiere! Die Schneider hat’s schon auf dich abgesehen, da soll sie mich nicht auch noch auf ihre Liste setzen.“
    „Danke auch. Schön, wie wir zusammen durch dick und dünn gehen. Wie Hanni und Nanni.“
    „Ach komm, dieses Freundschaftsideal ist doch komplett veraltet. Heute hat man Nutz-Freundschaften.“
    „Wo hast du das schon wieder her? Punkt 12? Cosmopolitan?“
    „Meine Mutter.“
    „Oh.“ Mir schwante Böses. „Hat sie dich besucht?“
    „Übers Wochenende. Es war die Hölle.“
    „Halten Sie Elena schon wieder von der Arbeit ab, Maja?“ Wie aus einem Staubkorn gewachsen, stand plötzlich Frau Schneider vor mir. „Wenn das so weiter geht, kann ich Sie beide nicht mehr in derselben Schicht einteilen. Und jetzt hop hop, füllen Sie die Regale auf. Na los!“
    Mit einem letzten gequälten Blick in Elenas Richtung machte ich mich auf den Weg ins Lager.
     
    Den Rest des Arbeitst ages hatte ich keine Gelegenheit, mit Elena zu reden. Nachdem ich die Regale aufgefüllt hatte, war es schon nach elf und der Kundenansturm so groß, dass keine Zeit zum Plaudern blieb. Die Pause machte jede von uns allein, damit die andere sich um die Kasse kümmern konnte.
    Als wir um vier Uhr nachmittags endlich Feierabend hat ten, setzten wir uns noch in das Café, das sich direkt gegenüber des Buchladens befand.
    „Deine Mutter war also da?“
    Elena grinste mich über die Tasse ihres Caffée Lattés mit fettarmer Milch an. „Ach komm, du willst mir doch schon den ganzen Tag was erzählen. Meine Mutter kann warten.“
    Ich nickte und verstärkte den Griff um meine Kaffeetasse. Wo sollte ich anfangen? „Leon hat gestern mit mir Schluss gemacht.“
    Elenas Mund öffnete sich und verharrte unelegant in dieser Position.
    „Ich bin zu Daniel, aber das zweite Zimmer war schon an meinen ehemaligen Mitschüler vergeben und jetzt wohnen wir zusammen in diesem Zimmer.“ Ich überlegte kurz, ob es noch etwas hinzuzufügen gab. „Mein Mitbewohner hasst mich.“
    „Okay, mal ganz langsam.“ Elena brauchte sichtlich einen Moment, um sich zu sortieren. „Wieso hat Leon mit dir Schluss gemacht?“
    „Weil ich Jura abbrechen und stattdessen Design studieren will.“
    „Mistkerl!“, rutschte es Elena raus. „Aber so was passt zu ihm.“
    „Findest du?“, fragte ich perplex.
    Elena nickte ernst. „Tut mir leid, aber jetzt kann ich es ja sagen: Leon hat einen dermaßen begrenzten Horizont, dass er nicht mal die
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