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Liebster Mitbewohner

Liebster Mitbewohner

Titel: Liebster Mitbewohner
Autoren: Fiona Winter
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wohl gerne, dass ich hier lag und darüber nachgrübelte, ob er nicht doch Recht hatte. Hatte er nicht. Punkt.
     
    Mein Handywecker riss mich um halb acht aus dem Schlaf. Ich öffnete die Augen und war mir erst nicht sicher, wo ich war. Doch bevor mir die Ereignisse des letzten Tages bewusst werden konnten, sah ich aus den Augenwinkeln, wie eine Gestalt aus dem Bett hochschoss und kerzengerade sitzen blieb.
    Ich starrte Felix erschrocken an. Dann prustete ich los.
    Felix blinzelte verwirrt . Er brauchte mehrere Momente, um die Situation zu erfassen. „Haha, ich lach mich tot. Machst du jetzt vielleicht mal den scheiß Wecker aus?“
    Ich fand die richtige Taste und strahlte Felix an. Das verstand ich unter einem guten Start in den Tag.
    Felix pellte sich aus dem Bett und schlurfte zur Zimmertür. Ich musterte sein Schlafoutfit, das aus dem hellblauen T-Shirt und schwarzen Boxershorts bestand. Nur mit Mühe widerstand ich dem Drang, ihm hinterher zu pfeifen. Ich war mir sicher, dass einer von uns beiden das nicht überlebt hätte.
    Bevor Felix das Zimmer verließ, murmelte er noch: „Ist doch geisteskrank um diese Uhrzeit gute Laune zu haben.“
    . Wenn er mich damit meinte, hatte er weit gefehlt. Ich war morgens selten gut drauf. Außer natürlich, wenn ich am Abend zuvor eine lebensverändernde Entscheidung getroffen oder mein Wecker meinen unfreiwilligen Mitbewohner zu Tode erschreckt hatte.
    Ich gähnte und streckte mich. Als ich aus meinem provisorischen Bett stieg, sah ich an m ir herunter. Weil ich gestern Abend weder Lust gehabt hatte, mich hier im Zimmer vor Felix‘ Blicken umzuziehen, noch, das Zimmer zu verlassen und das Risiko einzugehen, einmal mehr vor einer verschlossenen Tür zu stehen, hatte ich in meiner Jeans geschlafen. Und das war gar nicht so unbequem gewesen, wie man meinen könnte. Sogar der Grad der Jeansverknitterung hielt sich in Grenzen. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, sie einfach anzubehalten. Im nächsten Moment hörte ich die Stimme meiner Chefin: „Was denken Sie sich eigentlich, in solch einem Aufzug zur Arbeit zu erscheinen? Sie als Verkäuferin sind das Aushängeschild unseres Geschäfts blablablubb ….“ Seltsam, dass Patrick, unser Auszubildender, wegen seiner Kleidung nie etwas zu hören bekam. Wahrscheinlich könnte der sich auch im Unterhemd hinter die Kasse stellen. Aber Patrick war schließlich jung und gutaussehend und ein Kerl. Und Frau Schneider, so banal es klang, eine von ihrer Ehe und der Welt frustrierte Frau.
    Ich wühlte in meiner Reisetasche nach einer schwarzen Strumpfhose und dem rot-weiß karierten Rock. Perfekt. Frau Schneider würde nichts dagegen sagen können, und trotzdem war der Aufzug nicht so spießig, dass ich mich hinter der Kasse ducken müsste, wenn mir bekannte Gesichter im Geschäft auftauchten.
    Ich zog noch die obligatorische weiße Bluse hervor, dazu frische Unterwäsche und Socken, sowie meinen Kosmetikbeutel und machte mich auf den Weg zum Bad. Die Tür war verschlossen. Genervt hämmerte ich dagegen. „Bist du auf dem Klo eingeschlafen, oder was? Ich muss zur Arbeit!“
    Ich hörte ein Poltern und einen nicht jugendfreien Fluch. Die Tür öffnete sich und Felix rauschte an mir vorbei.
    „Sag nicht, ic h hatte Recht!“
    „Selbst , wenn ich um diese Uhrzeit Lust hätte, mit jemandem zu sprechen, wärst du sicherlich die letzte.“
    „ Du warst auch schon mal schlagfertiger.“
    Felix knallte seine Zimmertür hinter sich zu.
    Ich grinste. Der Morgen wurde besser und besser. Vor allem, als ich das Badezimmer betrat und mir der heruntergerissene Duschvorhang ins Auge sprang. Ich sah das Szenario vor mir: Wie Felix sich im Halbschlaf auf dem Wannenrand niederließ und einnickte, bis ich ihn mit meinem Klopfen weckte und er vor Schreck in die Wanne fiel. Das würde ich ihm heute Abend noch einmal aufs Butterbrot schmieren. Hach, es gab doch nichts Schöneres, als etwas zu haben, worauf man sich nach der Arbeit freuen konnte.
     
    Obwohl ich pünktlich aufgestanden war, vertrödelte ich mich - wie so oft - im Bad. Nach ausgiebigem Duschen, Schminken und Nicht-Entscheiden-Können zwischen offenen Haaren und hochgebundenen, war es plötzlich schon halb neun und ich hatte nicht mal mehr Zeit für einen Kaffee. Ich warf schnell die Sachen, in denen ich geschlafen hatte, ins Zimmer, wühlte meine Handtasche aus dem Rucksack hervor und verstaute mein Handy darin.
    Felix rührte sich nicht. Er hatte mir den Rücken zugewandt und schien wieder
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