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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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Wohnloch verlassen, um uns eine hübsche und obendrein noch billige Wohnung in hervorragender Stadtlage zu teilen.

    Nach dem Studium bezog Eva zu äußerst moderater Miete eine Dreizimmerwohnung mit Balkon und Wannenbad im ersten Stock und ich blieb oben. Eva leistete der alten Dame des Öfteren Gesellschaft, denn recht rasch hatte sich zwischen den beiden ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt, an dem auch ich gelegentlich teilnehme.
    Ab und zu kommt Frau Wiggenhauser zum Kaffee. Diesen Besuchen geht immer eine hektische Aufräum- und Putz-Aktion voraus, die Eva nachher zufrieden aufatmen lässt. Weder sie noch ich sind begnadete Hausfrauen. Die alte Dame lobt regelmäßig die hübsche, gemütliche Einrichtung mit den erlesenen antiken Möbelstücken aus Evas Familie, die sie geschmackvoll mit schlichten modernen Möbeln ergänzt hat.
    Wenn das Geld knapp wurde, zogen wir wieder eine Weile zusammen – allerdings in Evas Wohnung – und vermieteten meine Wohnung über die Mitwohnzentrale. Frau Wiggenhauser hatte nichts dagegen. Sie fand die Idee sogar intelligent und lustig. Wir führen jedenfalls ein ausgesprochen symbiotisches Eigentümerin-Mieterinnen-Verhältnis.

     
    Etwa eine Woche nach Evas Besuch in Konstanz kamen in einem dicken Brief die ersten Protokolle von Leonardos Studentinnen und Studenten. Sie bestätigten seine Einschätzung und zeigten klar auf, dass Partnersuche im Netz, wenn sie von Männern ausging, fast ausnahmslos darauf abzielte, rasch zu unverbindlichen sexuellen Erlebnissen zu gelangen. Selbst in den Fällen, in denen die Mädchen ausdrücklich andere Absichten bekundet hatten.
    ›Ich fühlte mich danach wie ein Papiertaschentuch‹, schrieb eine von ihnen. ›Vollgerotzt, zerknüllt und auf den Müll geschmissen.‹
    Andere brachten ganz ähnliche Gefühle zum Ausdruck. Eva war von der Lektüre zutiefst erschüttert und verspürte das dringende Bedürfnis, ihr Scherflein zu dem Projekt beizutragen.
    Mir war von Anfang an klar, wie der Hase hoppeln würde, denn sie gehörte noch nie zu den Menschen, die Hilfe verweigern, wenn sie darum gebeten werden. Das macht ihre Umgebung sich von jeher reichlich zunutze.
    Leonardo rief täglich an. Zunächst, um sie für das Projekt weich zu kochen, dann aber wegen neuer einschlägiger Katastrophen. Nach Evas Besuch hatte er sich eine Woche zur Netz-Abstinenz gezwungen. Dann stieg er aber wieder ein, verbrachte unzählige Stunden am Bildschirm mit dem Verfassen und Beantworten von Mails an neue Partner, die er jeweils für den endlich Richtigen hielt, und machte stets aufs Neue ganz ähnliche schlechte Erfahrungen, die Eva nahezu ungefiltert mitgeteilt bekam.
    »Ich hör dir ja gern zu, wenn’s dir hilft«, sagte Eva eines Abends, als es allmählich gegen Mitternacht ging, »aber ich hab da inzwischen so meine Zweifel. Du führst dich auf wie ein Junkie. Glaubst du nicht, dass dir mit einem Fachmann mehr geholfen wäre?«
    »Mit einem Psychologen? Ha! Du machst wohl Witze!«
    Diese Äußerung brachte bei Eva einen Stein ins Rollen. Witze machen! Warum eigentlich nicht? Das war doch eine sehr gute Idee! So konnte sie ein Ventil finden, um den Überdruck abzulassen, den Leonardos permanente Jammertiraden ihr bescherten. Sie goss sich ein Glas Rotwein ein und nahm sich die Strichmännchen vor, die sie während der endlosen Telefonate auf alle möglichen Zettel und Fetzen gekritzelt hatte. Und dann zeichnete sie dergleichen Gestalten auf einen Block und versah sie mit Sprechblasen. Der kreative Akt führte umgehend zur Entspannung und erfüllte sie schließlich mit großer Heiterkeit. Während der folgenden Gespräche verwendete sie dann gleich den Block und hielt hinterher die Pointen wieder in Sprechblasen fest.
    »Das schenk ich ihm mal, wenn er alt und weise geworden ist. Schön in Saffianleder gebunden«, verkündete sie, als sie mir ein paar Tage später bei einem gemeinsamen Abendessen den ersten Stapel zeigte.
    Ich hätte mich kugeln können und hatte eine noch bessere Idee: »›Leos chaotisches Liebesleben‹ ist so toll, das musst du unbedingt vermarkten!«
    Wir alberten noch eine Weile herum, ersetzten den Namen Leo durch Wolli, komponierten das Autorenpseudonym Detlef Tiger und fanden, dass es am besten wäre, das Projekt dem Magazin Male’s Body anzubieten, das speziell von Gays geschätzt wird.
    Es war schon nach Mitternacht und wir hatten einiges gepichelt. Aber wozu waren wir schließlich freischaffend? Da ich Eva kannte, trieb
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