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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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nicht oder noch nicht frei ist. ›Was soll ich mich mit seinem Alltagskram rumquälen? Wenn er zu mir kommt, ist es immer ein Fest!‹ / ›Ich kann mich besser verwirklichen, wenn ich Männer nur stundenweise um mich habe.‹ / ›Mit seiner Frau läuft schon lange nichts mehr, aber ich will auch nicht der Drache sein, der den Kindern den Vater wegnimmt.‹ / ›Er geht morgen, spätestens aber nächste Woche zum Scheidungsanwalt.‹ Und dergleichen mehr.

     
    Als Eva schmerzlich zu spüren bekam, dass Magnus ziemlich intensiv verheiratet war, sagte sie: »Lieber die Nummer zwei bei Herrn Wunderbar als die Nummer eins bei Herrn Stinklangweilig.«
    Dieser Einstellung könnte ich zwar im Grunde zustimmen, doch rechtfertigte meiner Meinung nach Magnus zu keinem Zeitpunkt das Prädikat wunderbar , eher wundersam. Und Herr Stinklangweilig stand insofern nie zur Debatte, als Eva schon eine Menge anderer Alternativen offengestanden hätten.
    Eva verfügte nämlich schon mit zwanzig, also lange, bevor sie auf diesem Sektor ihren eigentlichen Durchbruch erlebte, über eine umwerfende erotische Ausstrahlung, die nur wirklich stumpfsinnige Zeitgenossen unberührt ließ. Und: Sie war sich dessen noch nicht einmal bewusst. Es entging ihr zwar nicht, dass alle auf sie ansprangen, aber sie dachte, das sei völlig normal und gehe allen Frauen so. Ein Witz! Ich bin überzeugt, es gibt Tausende, die dafür morden würden, um in den Besitz dieser fabelhaften Gabe zu gelangen! Eva fand sich auch noch nie hübsch, obwohl sie immer hinreißend aussieht.
    Zu Beginn unserer Freundschaft habe ich ergründet, wie es zu dieser totalen Fehleinschätzung kommen konnte. Mir war nämlich unbegreiflich, warum sie sich an der Uni oft mit Typen einließ, die ich selbst nicht mal mit der Zange angefasst hätte. Sie dachte eine Weile nach, lachte dann und meinte: »Eliza, was du sagst, ist sehr interessant und ich kann mir sogar eine Erklärung dafür denken. Meine Eltern haben mir von klein auf systematisch eingeredet, ich sei hässlich.«
    Auf mein zweifellos konsterniertes Glotzen hin lachte sie noch mehr. »Tja, das geschah ihrer Meinung nach nur zu meinem Besten: weil sie nämlich verhindern wollten, dass ich eine eingebildete Zicke werde.«
    Na, das hat ja dann auch tatsächlich prima funktioniert!
    Also, liebe Eltern kleiner Mädchen, merkt euch: Wenn ihr wollt, dass eure Tochter jedem miesen Typen voll Dankbarkeit ihr Herz (und ihren Leib) schenkt, dann erzieht sie ohne Selbstbewusstsein!

     
    Magnus als miesen Typen zu bezeichnen, hieße allerdings, die Dinge sehr zu vereinfachen. Er verfügt – ganz objektiv betrachtet, was mir immens schwer fällt – schon über einige Qualitäten. Bereits in seiner ersten Mail kam er mit Latein an. ›Carpe diem …‹
    Ist zwar nichts Besonderes, dieser Spruch und auch etwas ausgereizt, aber als während seiner folgenden Korrespondenz mit Eva drei weitere Fremdsprachen auftauchten, taumelte sie vor Begeisterung und schickte entsprechend polyglotte Erwiderungen (Sibylle nennt so was Brain-fucking).
    Magnus erwies sich als gebildet, belesen, witzig. Ich geb’s ungern zu, aber ich halte schließlich die Beweise in den Händen. Und er beherrscht die rhetorische Kunst der niveauvollen frivolen Zweideutigkeit. Das nahm Eva für ihn ein und erotisierte sie, bevor sie eine Ahnung hatte, ob er Adonis oder Rumpelstilzchens eineiiger Zwillingsbruder war.

     
    Aber vielleicht sollten wir besser am Anfang beginnen. Nicht gerade bei Adam und Eva, obwohl das gar nicht so falsch wäre, denn die haben ja sicher auch Erziehungsfehler begangen. Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass Kain seinen Bruder Abel erschlug? – Ein Kind, das von seinen Eltern ein gesundes Selbstwertgefühl vermittelt bekommt, mordet nicht aus Eifersucht. Und schon gar nicht aus Eifersucht wegen ein paar Wölkchen Rauches! Vielleicht war ja Abelchen außerdem Mutter Evas Augapfel … Gut, gut, ich wollte nicht über die Erziehungsfehler der Urfamilie sprechen.
    Wenden wir uns greifbaren Gestalten zu – Leonardo und Eva. Da gibt’s auch genug über Erziehungsschäden zu sagen. Zu meinen eigenen kommen wir später …
    Leonardo ist Evas Kindheits-, Jugend- und Herzensfreund. Bei der Namenswahl für den Knaben dachte die Mama, eine ehemalige Ballerina, an Leonardo da Vinci.
    Eva hätte eigentlich Ava heißen sollen, nach Ava Gardner, der Hauptdarstellerin in ›Schnee am Kilimandscharo‹. Evas Eltern hatten sich nämlich im Foyer
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