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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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…«
    Von dieser Stunde an war es still um Marfa Babkinskaja. Was Karpuschin tat, wußte sie nicht; er sprach auch nicht mehr darüber. In einem großen, schönen Zimmer des Hotels ›Palace‹ wohnte sie, las Zeitungen und Zeitschriften, besuchte mit einem Fremdenführer den Schahpalast und die kaiserlichen Gärten, wartete auf Karpuschin, der stets zum Abendessen kam, trank dann viel Wein, weil sie wußte, was die Nacht von ihr verlangte, und schlief oft ein, bevor Karpuschin ärgerlich ins Bett kam und sie an sich zog wie eine schöne, aber kalte Puppe.
    »Es ist entschieden«, sagte Karpuschin plötzlich an einem dieser Abende. Im Bett lag sie schon, nackt wie immer, und Karpuschin rasierte sich, denn Marfas weiße Haut war sehr empfindlich und zeigte rote Flecke, wenn sein Bart zu stoppelig war. »In wenigen Tagen fahren wir zurück nach Moskau, Täubchen …«
    »Und Semjonow?« fragte sie.
    »Es wird alles geregelt sein. Nur auf das Gift warte ich noch. Es soll mit einer Diplomatensendung der Botschaft morgen oder übermorgen kommen.«
    Marfa Babkinskaja schwieg. Sie sah Karpuschin zu, wie er den Schaum über das Gesicht verteilte, wie er eine neue Klinge in den Apparat legte, wie er, vor sich hin pfeifend, zum Spiegel zurückkehrte, den Hals reckte und den Bart zu schaben begann.
    Vergiften, dachte sie. Und er pfeift dabei. Hat er auch gepfiffen in Kisyl-Polwan, als die Schüsse krachten und Jefimow in den Staub fiel.
    Sie drehte sich um und zog die Decke über sich.
    Und wieder kam es über sie … diese Welle kalten Hasses, diese innere Leere, in die Karpuschin hineinfiel wie in eine tiefe Schlucht und auf dem Grund zerschellte.
    Zwei Tage später kam Karpuschin mit einem kleinen Paket ins Hotel. Marfa saß vor dem Frisierspiegel und kämmte sich die Haare. Mit einem goldenen Kamm, den Karpuschin im Goldschmiedeviertel Teherans gekauft und ihn seinem ›wilden Schwänchen‹ geschenkt hatte.
    »Das Gift, Matweij Nikiforowitsch?« fragte sie. Karpuschin nickte. In süßer Stimmung war er, setzte sich an den Tisch, wickelte die Schnur von der Verpackung, holte ein Pappkästchen aus dem Papier und öffnete es ganz vorsichtig, als enthalte es zerbrechlichstes Glas. Aber nur ein flaches Tütchen war darin, ein einfaches, flaches Tütchen ohne Aufschrift, ohne Besonderheiten, ohne Kennzeichen. Ein Stück gefaltetes und verklebtes Papier. Marfa beugte sich über Karpuschins Schulter. Angenehm war das, denn ihre Brust drückte ihn, und er hatte es gern.
    »So wenig?« fragte sie. Kindlich klang es, und Karpuschin lächelte wie ein Väterchen, das zu einer wichtigen Belehrung ansetzt.
    »Es genügt, um zwanzig Semjonows wegzuräumen«, sagte er. »Man riecht es nicht, man schmeckt es nicht, es löst sich völlig auf … ein wahres Teufelsmittelchen ist's. Oh, wir haben gute Chemiker in Moskau, mein Schwänchen.«
    Den ganzen Tag über verließ Karpuschin nicht das Zimmer. Wie eine brütende Henne bewachte er das kleine Gifttütchen. Das Essen ließ er sich aufs Zimmer bringen, und er duldete es auch, daß Marfa allein in die Stadt ging, um im Basar ein Seidenkleidchen zu probieren, das sie gestern gesehen hatte.
    »Die Flugkarten nach Moskau sind schon bestellt«, sagte er glücklich. »Übermorgen schon fliegen wir zurück zu Mütterchen Rußland! Ein Leben wird das werden, Marfuschka! In einer Garnison, vielleicht in der Ukraine, übernehme ich das Kommando, und wir werden glücklich sein wie die Schwalben unterm Dach! Freust du dich, Vögelchen?«
    »Sehr, Matweij Nikiforowitsch.« Marfa küßte ihn auf die Nase, auf das Häßlichste in seinem Gesicht, und sie tat es mit Absicht, um sich innerlich vor Ekel zu schütteln. Dann ging sie, mit hohen, klappernden Absätzen und schwingendem Röckchen, und Karpuschin nannte sich den glücklichsten Mann der Welt, seufzte tief und setzte sich wieder an den Tisch und vor sein Tütchen Gift.
    Semjonow saß in seinem Laden und wartete auf Kunden, als Marfa vor dem Fenster stehenblieb und die Teppiche betrachtete.
    Schwer hatte es Semjonow in den vergangenen Wochen gehabt. Wer einen Laden und gute Ware hat, besitzt noch keine Kunden, und wenn auch General Reza Achmed der erste war, der einen Verbinder kaufte, obgleich er seine Villa mit Teppichen behängen konnte, und auch einige Offiziere bei Semjonow Brücken kauften, nur um ihm Mut zu machen und zu zeigen, daß man ihn anerkannte im Kreise der zahllosen Teppichhändler … in das ersehnte Geschäft mit der deutschen
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