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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kolonie und den deutschen Importeuren kam er nicht hinein.
    Viermal hatte es Semjonow versucht. Er hatte im deutschen Klub vorgesprochen und seine Empfehlungskarten abgegeben. Nach guter alter Sitte hatte er sich erst an den Portier gewandt, der neben Iranisch auch Französisch sprach, und zu ihm gesagt: »Lieber Freund, ich sehe Ihnen an, daß Sie in eine Tänzerin verliebt sind.«
    Und der Portier hatte geantwortet: »Mit einer Taxe, Monsieur, erreichen Sie die Irrenanstalt in zehn Minuten.«
    »Es wäre so einfach, der Kleinen ein Geschenk zu machen, ohne daß Ihr Gehalt darunter leidet. Ich habe hier ein Päckchen Geschäftskarten … wenn sie beim nächsten Klubabend neben jedem Teller lägen, wäre mir das fünfzig Rial wert.«
    Ein glattes Geschäft war's, aber was half's? Als die Karten neben den Servietten lagen, runzelte ein Herr Mölldorf, der in Teheran das Büro einer deutschen Eisenfirma leitete, erbost die Stirn.
    »Semjonow?« sagte er laut und wedelte mit der Karte durch die gekühlte Luft. »Teppichhandel? Ist das nicht der Kerl, von dem mir der Botschaftsrat erzählte? Dieser amerikanische Spion? Der Lümmel soll doch glatt auf die deutsche Staatsbürgerschaft verzichtet haben! Eine Frechheit ist das, uns diese Karten unterzujubeln! Mansur! Weg mit den Mistdingern!«
    Und der Portier Mansur sammelte die Geschäftskarten Semjonows wieder ein und warf sie draußen in einen Eimer mit Müll.
    So war das in der schönen Freiheit. Die großen Importeure nahmen nicht Notiz von Semjonow. Nur ein paar kleine Einkäufer kamen zu ihm, sie schlichen fast zu ihm, und man sah es ihnen an, wie böse es sein würde, wenn man ihre Anwesenheit bei Semjonow entdeckte. Sie bestellten kleine Kollektionen, fragten Semjonow, wie es in der Taiga aussehe und ob es stimme, daß die sibirischen Mädchen mannstoll seien und selbst in einem Schneeloch … Wilde Dinge hörte man ja, ein schreckliches Land muß es sein, dieses verfluchte Sibirien.
    Semjonow antwortete wortkarg, verkaufte seine Brücken und nahm gute Ratschläge an. »Mit Teppichen allein werden Sie bald vor Hunger Ihre eigenen Nägel kauen«, sagte ein Einkäufer aus München. »Ins Kunstgewerbe müssen Sie einsteigen! Persische Schnitzereien, Miniaturen aus Elfenbein, getriebene Plastiken aus Kupfer und Messing. Und Ausgrabungen … lieber Mann, Ausgrabungen, ganz wild sind sie darauf in der Heimat! Mit einer Kiste echter Tonkrüge aus der Zeit des Xerxes oder Darius können Sie mehr Geld machen als mit hundert echten Keshan-Teppichen!«
    »Wo soll man die Ausgrabungen herbekommen?« fragte Semjonow. »Alles geht doch in die staatlichen Museen.«
    »Sie sind ja ein naives Gemüt!« Der Mann aus München lachte dröhnend. »Ziehen Sie sich einen guten Töpfer an Land … für zehn Rial in der Woche macht er Ihnen die schönsten antiken Kannen und Amphoren.«
    »Das ist Betrug«, erwiderte Semjonow ernst.
    »Das ist Wirtschaftswunder, mein Lieber!« Der Mann aus München klopfte Semjonow wohlwollend auf die Schulter. »Vergessen Sie, sibirisch primitiv zu denken, mein Lieber! Eine Welt, die nicht betrogen wird, ist langweilig und fühlt sich todunglücklich! Betrug ist das Salz in der faden Lebenssuppe! Grüß Sie Gott, Landsmann!«
    Und dann saß Semjonow allein hinter seiner Theke, sah auf die Ballen der zusammengelegten und gerollten Teppiche, wartete auf Kunden und hatte Zeit genug, sich an dieser Welt zu ekeln.
    Noch dreimal versuchte er, an seine deutschen Landsleute heranzukommen. Zweimal hieß es, eine plötzliche Abreise sei erfolgt, man wolle einen neuen Termin ausmachen, aber dieser Termin kam nie. Der dritte Besuch bei einem Herrn Luckroth brachte endlich volle Klarheit. Herr Luckroth , Einkäufer eines Kaufhauskonzerns, bewohnte einen großen weißen Bungalow außerhalb Teherans am Fuße des Demawendberges, wo die Luft kühler war und ein leichter, ständiger Wind die Sonnenstrahlen zerblies.
    Luckroth empfing Semjonow ohne Zögern und Ausweichen. Aber er empfing ihn wie einen Bettler, der an die Haustür geklopft hat.
    »Mein lieber Heller oder Semjonow oder wie Sie sich sonst nennen«, sagte Luckroth, und es tat ihm wohl, mit der Macht deutschen Reichtums einen solchen Schmierfinken wie diesen sibirischen Waldläufer zu demütigen. »Ihre Karte habe ich gelesen, und es wäre besser gewesen, das Geld für Papier und Druck zu sparen und sich einen Vorrat Reis hinzulegen für die Hungerzeit. Was glauben Sie eigentlich, wer wir sind?«
    »Deutsche«,
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