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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Autoren: Zeruya Shalev
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Mutter, als wären sie dazu bestimmt, das gescheiterte Paar zu verewigen, und trotzdem sieht Jotam auch Gili ähnlich, und das Mädchen erinnert mich von Sekunde zu Sekunde mehr an mich selbst, der gleiche hochmütige Blick, der eine unerträgliche Verletztheit verbirgt. Wie war es heute bei euch, frage ich, und Jotam nimmt ein angekautes Falafelstück aus dem Mund und antwortet, weißt du, heute Morgen hat Ronen beim Gesprächskreis erzählt, dass seine Mutter sehr krank ist, aber sie hat ihm versprochen, dass sie die Krankheit besiegen wird, und ich frage erschrocken, wirklich, was hat sie? Jotam beißt wieder in sein Fladenbrot und sagt mit vollem Mund, eine Krankheit, ich weiß nicht, welche, sie ist im Krankenhaus.
    Aber Papa ist in Ordnung, nicht wahr, will Maja wieder wissen, ihre mangofarbenen Locken liegen dicht an ihrem Gesicht, mir fällt auf, wie verfilzt sie sind, und ich denke, vielleicht frage ich sie nachher, ob ich sie kämmen soll. Natürlich ist er in Ordnung, sage ich schnell, er hat ein bisschen Fieber, das ist alles, und sie schlägt vor, vielleicht gehen wir jetzt nach Hause, ich möchte Papa sehen, und wir setzen unseren Weg fort, die gewundene Straße hinunter, die von den Sonnenstrahlen nicht getroffen wird und deshalb so dämmrig und kühl ist, als führte sie durch eine Zitrusplantage, und als wir zu Hause ankommen und in der Tür zum Schlafzimmer stehen, öffnet er sofort die Augen und streckt die Arme nach seinen Kindern aus, als hätte er sie wochenlang nicht gesehen, und sie springen mit Jacken und Schuhen auf das Bett und drücken sich erleichtert an ihn.
    An den Türstock gelehnt, betrachte ich sie, nein, ich werde mich ihnen vorläufig nicht anschließen, und vielleicht werde ich das nie tun, vielleicht werden wir nie eine Familie werden, die sich wie selbstverständlich in einem Bett zusammenfindet, und trotzdem wird das, was wir erreichen, bedeutungsvoll sein, jeder gelassene fröhliche Moment ein Sieg. Schaut, verspreche ich ihnen im Stillen, auf eine seltsame Weise wird das Leben kostbar werden, und obwohl ich mich nicht zu euch aufs Bett lege, bin ich bei euch, denn hinter den vielen einander widersprechenden Bedürfnissen steht eine Sehnsucht, und das Ganze scheint von mir abzuhängen und in meiner Hand zu liegen, ich werde Wunder vollbringen können, wenn ich es nur will, wie eine Göttin, die die Menschen von ihren Wunden heilt, und ich gehe zu Oded und halte ihm das etwas zerknitterte weiße Blatt Papier hin und sage beiläufig, das schickt dir Gili, und er betrachtet nachdenklich das Bild, wie schön, sagt er, ich hänge es hier neben dem Bett auf.
    Ich lasse sie zu dritt zurück und stelle mich an das Fenster, das zur Gasse hinausgeht, eine schwangere Frau kommt den Hang herauf, mit einem vor Anstrengung roten Gesicht, fast kann man ihr schweres Atmen hören, nein, nicht aus Zweifeln wird diese späte Familie geboren, sondern aus einem Bewusstsein der Notwendigkeit, nur vollkommener Glaube wird die Blutsbande ersetzen können, nicht die Forderung nach dem, was uns zusteht, sondern nach dem, was uns verpflichtet, vielleicht ist das der Bund, den mein Vater mir vor etlichen Monaten nahelegte, der Gelassenheit und Glück verleiht, und warum war es mir unmöglich, das mit Amnon zu schaffen, wie viel hätten wir gewinnen können, wir drei, aber wir haben es nicht vermocht.
    Als ich das Zimmer betrete, in der Hand eine heiße Tasse Tee, höre ich Jotam sagen, Papa, weißt du, dass bald Pessach ist, heute haben wir den Auszug aus Ägypten durchgenommen, glaubst du, dass das wirklich so war? Und Oded antwortet, darum geht es, meine ich, gar nicht, ob das wirklich so war, aber frag Ella, sie kennt sich in solchen Dingen aus, und als alle drei mich anschauen, bin ich einen Moment lang so verlegen, als stünde ich wieder in einem Vortragssaal, und ich habe das Gefühl, wenn ich dieses kleine Publikum überzeugen kann, werde ich auch mich selbst überzeugen. Vermutlich werden wir nie wissen, ob es wirklich so war, sage ich, bis jetzt wurde kein Beweis für diese Geschichte gefunden, aber ich glaube trotzdem, dass sie auf wirklichen Ereignissen beruht, denn die Wunder, von denen dort die Rede ist, Blut, Finsternis und die anderen ägyptischen Plagen, hängen mit einer Naturkatastrophe zusammen, die wirklich passiert ist, vor Tausenden von Jahren, und da wir dazu neigen, Angst vor etwas zu haben, was uns in der Vergangenheit schon einmal in Angst versetzt hat, haben die alten
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