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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Autoren: Zeruya Shalev
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Geschichtsschreiber dieses Ereignis genau wie jenes frühere beschrieben, das sie so fürchteten.
    Aber der Auszug aus Ägypten ist doch eine fröhliche Geschichte, nicht wahr, fragt Maja, die Kinder Israels wurden aus der Sklaverei befreit, und ich sage, ja, du hast Recht, die alten Geschichtsschreiber erinnerten sich an eine schreckliche Geschichte von einer Welt, die zerstört wurde, eine Geschichte, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde, und sie haben diese Geschichte umgewandelt in eine Geschichte der Befreiung und der Rettung, und sie fragt, und haben diejenigen, die die Geschichte geschrieben haben, geglaubt, dass sie wahr ist, und ich sage, ich denke, sie haben zumindest unter allen Umständen an sie glauben wollen.

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    24
    Wie haben ihre Augen gestrahlt, als sie uns alle zum Fest einlud, und dabei kannte sie keinen von uns richtig, es war, als stünde sie an der Straßenecke und versuchte, Passanten in ihr Haus einzuladen, um ihr Glück mit ihnen zu feiern. Aus welchem Anlass gebt ihr das Fest, hat jemand gefragt, und sie hat geantwortet, einfach so, wir haben Lust zu feiern, und hat ihren Mann angeschaut, als teilte sie ein Geheimnis mit ihm, und eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht, und ich, in meiner Torheit, wich zurück, als hätte sie ihre Hände in das allgemeine Sammelbecken des Glücks gesteckt, es mit vollen Händen herausgeschöpft und mir kein bisschen übrig gelassen. War es damals ein schönes Fest, wie viele Flaschen Wein wurden entkorkt, welche Musik wurde gespielt, wer von den Menschen, die sich hier versammelt haben, um sie auf ihrem letzten Weg zu begleiten, ist damals zu ihrem Fest gekommen, wer von diesen vielen Menschen, die fassungslos aus den Autos steigen und sich langsam in Bewegung setzen, während ein Frühlingswind aus der Wüste ihnen durch die Haare fährt, Röcke und Ärmel aufbläht, die Haut ähnlich gelb verfärbt wie ihr Gesicht in den letzten Monaten, plötzlich sehen wir uns alle ähnlich, stehen wir alle kurz vor dem Tod.
    Es war ein Freitag, so wie heute, als ich ihn zum ersten Mal sah, bei der Schabbatfeier, er war blass und distanziert, und als ich ihm jetzt einen Blick zuwerfe, fällt mir zum ersten Mal auf, wie sehr er seither gealtert ist, die Längsfalten in seinem Gesicht sind tiefer geworden, die Haut an seinem Hals schlaffer, sein Haar matter, und mir ist, als würden mir ausgerechnet diese nun deutlich sichtbaren Zeichen des Alterns das Gefühl geben, ihm nah zu sein, fast stolz, schließlich ist er an meiner Seite gealtert, jede äußerliche Veränderung wird von nun an mir gehören, uns, zum Guten oder zum Schlechten, wie ein Vermögen, das im Lauf eines gemeinsamen Lebens angesammelt wurde, und ich betrachte ihn mit jener Behutsamkeit, die ich mir ihm gegenüber in letzter Zeit angewöhnt habe, und frage mich, ob ich ihn wieder auswählen würde, ob ich ihn mir überhaupt je ausgewählt habe, ein starker Drang hat mich ihm zu Füßen geworfen und ihn mir, gemeinsam sind wir zwischen den Ruinen herumgekrochen und haben drei Kinder hinter uns hergezogen.
    Wir gehen auf noch ungebahnten Wegen, einen Weg durch die Stadt des Todes, bekannte Gesichter mischen sich mit unbekannten, Seufzer mit Husten, langsam folgen wir dem in weiße Tücher gehüllten Körper, der auf einer Trage liegt, als wäre er aus einem Katastrophenort evakuiert worden und würde nun an einen besseren Ort gebracht, wo er gesunden könnte. Die Trauer schwärzt die Gesichter wie ein Schleier, als wir uns um den Ort versammeln, der für sie bestimmt ist, ein Sturm der Tränen wandert von Auge zu Auge, ein Bruder des Sandsturms, der um uns herum tobt und versucht, die Zeremonie zu sabotieren, gleich wird er die Erde in die Grube zurückwerfen, während er den leichten Körper der Toten zum Himmel trägt, zum Firmament, das sich über uns spannt, so niedrig ist es heute, staubschwer wie ein Lampenschirm, der zu tief aufgehängt wurde.
    Von unserem Platz am Rand der Trauergemeinde können wir nicht sehen, was passiert, nur die lauten Geräusche des Grabens in der steinigen Erde dringen an unser Ohr, und in der Stille zwischen den Spatenstichen schärfen sich unsere Sinne, bis auch die kleinsten Geräusche wahrzunehmen sind, das Rascheln von Papiertaschentüchern, die über tränennasse Augen fahren, das Schlucken staubiger Spucke, das leise Knistern wehender Haare, und über allem der Geruch der feuchten Erde. So hat sie in ihrem Garten gearbeitet, nicht weit von hier, und ich
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