Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind
Autoren: C Westendorf
Vom Netzwerk:
gesucht hatte. Er musste mehr von ihr in Erfahrung bringen, also tat er, was er für das Beste hielt. Er half ihr in den Mantel, dann hielt er die Tür für sie auf.
    Kaum waren sie draußen angekommen, als sie sich vor ihn hinstellte und ihn unverhohlen von oben bis unten musterte. Sie hatte einen spöttischen Blick dabei, Rainer begannen die Innenflächen der Hände feucht zu werden. Diese Fremde hatte so eine ganz andere Art als die Frauen, die er kannte. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte, und er zweifelte nicht daran, dass sie Wege kannte, um zu bekommen, wonach ihr gerade der Sinn stand. Und wenn er sich nicht täuschte, wollte sie ihn, jetzt, in diesem Augenblick. Nun verzog sie den Mund zu einem schiefen Lächeln, bevor sie ihn zu sich heranzog und ihm einen leidenschaftlichen, fordernden Kuss gab. Rainer begann die Sache unheimlich zu werden und doch konnte er nicht verhindern,dass sich ihm sämtliche Körperhärchen aufstellten und ihn ein heißer Schauer überlief. Aber da war noch etwas anderes. Er spürte, wie sich ihm etwas aufs Gesicht legte –wie vorhin die Spinnweben. Wieder strich er mit der Hand über seinen Kopf, aber diesmal klebten keine Leichenteile daran. Da war nichts als ein kleiner Schweißtropfen, der nun an der tiefsten Stelle seiner Handfläche hängen blieb. Rainer rieb sich seine Hand schnell an der Hose trocken. Er war doch ein Kerl, verdammt, da durfte er sich nicht länger bitten lassen. Während er ihren Kuss erwiderte, begann er sich besser zu fühlen. Er fing sogar an, ihr über den Rücken zu streicheln, und Angela gab Rainers drängenderen Händen nach. Er hatte das Spiel wieder aufgenommen, sie stöhnte, er bestimmte die Richtung. Doch nach einer Weile löste sie sich und sah zum zweiten Mal auf ihre kleine schwarze Armbanduhr am rechten Handgelenk. Ihre Augen waren kühl.
    „Ich muss nun wirklich los.“
    „Was soll das heißen?“
    Rainer hatte Mühe, seine Stimme, die dazu neigte, sich zu überschlagen, wenn er aufgeregt war, ruhig und tief klingen zu lassen. „Du kannst doch jetzt nicht so einfach verschwinden. Wir müssen uns unbedingt wiedersehen. Sag mir, wie ich dich erreichen kann.“
    „Ich habe morgen einen Termin in Hamburg, dann muss ich weiter. Aber wenn du willst, können wir uns treffen, bevor ich abreise. Sagen wir so um zweiundzwanzig Uhr am ZOB, an der Haltestelle nach Travemünde.“
    „Was, gibt es denn den alten Zentralen Omnibusbahnhof immer noch?“
    „Bestimmt.“
    „Und du glaubst, dass so spät noch ein Bus abfährt?“

    „Ich weiß es nicht, aber ich wollte unbedingt noch einmal dorthin, bevor ich Hamburg wieder verlasse.“
    Als er sie fragend anschaute, setzte sie hinzu: „Die Vergangenheit, du verstehst?“
    Jetzt begriff er. Seine Schöne musste auch aus dieser Gegend stammen und wollte, wie er, das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Rainer fand es zwar seltsam, dass ein Busbahnhof so wichtig für sie sein sollte, glaubte jedoch nicht das Recht zu haben, darüber zu urteilen.
    „Gut, ich werde da sein. Und wie geht es weiter?“
    „Das werden wir sehen“, sagte sie unbestimmt. Dann gab sie ihm einen letzten verheißungsvollen Kuss zum Abschied.
    „Aber du wirst es nicht bereuen.“
    Wortkarg saß Rainer Herold am Frühstückstisch und überflog die Schlagzeilen der Morgenpost. Dabei hatte er eigentlich vorgehabt, sich mit seinen Eltern zu unterhalten, herauszufinden, wie es ihnen ging. Hilde beobachtete die hinter der aufgeschlagenen Zeitung verborgene Gestalt ihres Sohnes und seufzte. Es fiel ihr schwer, sich seine geistige Abwesenheit mit dem Jetlag zu erklären.
    „Was sind deine Pläne für heute“, fragte sie, während sie ihm den Brötchenkorb reichte.
    Rainer starrte seine Mutter aus trüben Augen an und gähnte.
    „Ausruhen, schlafen, mal sehen.“
    Hilde Herold ging in die Küche hinüber. Sie lehnte sich gegen den Kühlschrank, den Blick aus dem Fenster auf die Reihe Blautannen gegenüber geheftet.
    „Ihr habt mir gar nicht erzählt, dass die Elfi jetzt im Gasthof arbeitet.“

    Rainer bemerkte, dass seine Eltern nicht mehr neben ihm saßen.
    „Mama?“
    Zögernd kehrte Hilde an den Tisch zurück.
    „Wir wollten dich nicht langweilen.“
    Er entschloss sich, über den Vorwurf in der Stimme seiner Mutter hinwegzugehen. Stattdessen grinste er sie nun jungenhaft an und nahm ihre Hand.
    „Gestern Abend im Gasthof habe ich jemanden kennen gelernt. Ich wüsste gern, ob sie öfter im Dorf ist.“
    „Wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher