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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind
Autoren: C Westendorf
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wirklich ein spontaner Mensch, doch diese fremde Frau hier, Sabine, schien Paula an Unmittelbarkeit noch weit zu übertreffen. Zudem hatte etwas Forderndes in ihrem Blick gelegen. So, als dürfte es von nun an keinerlei Geheimnisse mehr zwischen ihnen beiden geben.
    „Was wird dann mit deinem Bekannten? Müsstest du an Weihnachten nicht eher bei ihm sein und ihm bei den Vorbereitungen helfen?“
    „Den sehe ich doch erst zu unserer großen Zusammenkunft bei seinen Eltern am ersten Festtag, habe ich dir das nicht erzählt? Und du, was tust du denn sonst so, wenn du nicht gerade unterwegs bist, um deine Geschlechtsgenossinnen vor Fehlkäufen zu bewahren?“
    „Ich bin Keramikern.“
    „Wow, ich glaube, es gibt wirklich nicht mehr viele Töpfereien. Bist du irgendwo hier im Landkreis angestellt?“
    „Nein, ich arbeite selbstständig. Und wenn es dich interessiert, können wir auch gern noch auf einen Sprung in meine Werkstatt hinübergehen, bevor du wieder losmusst.“
    Elsa nickte begeistert, doch nur wenige Sekunden später, nachdem das Telefon in Paulas Wohnzimmer geklingelt hatte, beobachtete Elsa verunsichert, wie sich Paulas Stimme, ja selbst ihre Bewegungen im Laufe des Telefongespräches zu verändern begannen.

    „Nein, Anton, ich habe jetzt wirklich keine Zeit. Außerdem habe ich gerade Besuch.“
    Anton, so hatte doch der langhaarige Kerl von gestern Abend geheißen, erinnerte sich Elsa an einen Teil der Gesprächsfetzen, die sie aus ihrem Auto heraus verstanden hatte.
    „… Vielleicht“, kicherte Paula. „O. k., komm nachher vorbei, aber nicht vor acht.“
    Als Paula aufgelegt hatte, fragte Elsa verschmitzt: „War das dein Freund?“
    „Nee, aber ein ganz netter Zeitvertreib. Auf jeden Fall werde ich heute Nacht wohl keine kalten Füße bekommen.“
    Auf einmal wirkte Paulas Grinsen ekelhaft anzüglich auf Elsa. Und in ihrer Stimme schwang eine Geilheit mit, die Elsa sofort wieder an Vera, ihre Mutter, denken ließ. Elsa bemerkte, dass sie plötzlich stark zu schwitzen begann.
    „Dieser Tee treibt ja ungeheuerlich. Darf ich kurz deine Toilette benutzen, bevor ich mich auf den Weg mache?“
    „Klar, sie ist gleich links neben dem Ausgang.“
    Mit einer dicken Lage Toilettenpapier versuchte Elsa, sich den Schweiß vom Gesicht und unter den Achselhöhlen fortzuwischen. Doch es nützte nicht viel, ihr Kinn begann bereits wieder feucht zu werden. Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und versuchte, sich zu beruhigen. Eigentlich war doch alles in Ordnung, immerhin hatte ihre Freundin Paula sie sogar zum Teetrinken eingeladen. Aber das Monster da eben in der Küche hatte plötzlich nicht mehr viel mit ihrer Paula zu tun gehabt. Als sie vorher mit dem Kerl telefoniert hatte, war es Elsa so vorgekommen, als hätte Vera dort gestanden, gesprochen, gelacht und sich hin und her gedreht. Mit der gleichen herausfordernd geilen Stimme hatte Paula den jungen Kerl zu einem Besuch aufgefordert.Genauso wie Vera geklungen hatte, kurz bevor sie mit Herrn Wegener, dem Busfahrer des MVV, hinter der Tür des Elternschlafzimmers verschwunden war. Schon hörte Elsa wieder die widerlichen Stöhngeräusche, die damals sogar durch mehrere verschlossene Holztüren hindurchgedrungen waren. Elsa hielt sich die Ohren zu, aber es half nichts. Es war, als müsste ihr der Kopf platzen, so sehr hämmerten die Schmerzen unerwartet gegen ihre Stirn. Nein, Paula war wie alle anderen, sie konnte niemals Elsas Freundin werden. Verzweifelt durchwühlte Elsa ihre Tasche auf der Suche nach den Migränetabletten, als sie plötzlich ein anderes Medikament in ihren Händen hielt. „Rohypnol“ stand auf der Verpackung. Diese Tabletten hatte Elsa immer dabei, seit ein Arzt sie ihr einmal zur Beruhigung verschrieben hatte. „Es wirkt so ähnlich wie Valium“, hatte er behauptet. Doch Elsa wusste es besser. Rohypnol wirkte beruhigend, aber darüber hinaus konnte es einen auch in eine Art Rauschzustand versetzen, der sehr angenehm war und einen die Wirklichkeit vergessen ließ. Als Elsa ihre Rache an Doreen geplant hatte, war ihr kurz der Gedanke gekommen, Rohypnol bei ihr zum Einsatz zu bringen. Doch dazu wäre ein direkter Kontakt nötig gewesen. Außerdem war Elsa eine Ladung Pfefferspray auch viel passender für die Verräterin erschienen. Schließlich sollte Doreen bei Bewusstsein sein, wenn Elsa ihren Angriff auf sie startete.
    Nun war Elsa ganz ruhig, denn endlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Elsa war ein Mensch mit einem
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