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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
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Fallen, ich fiel, ich stieß mich oder schnitt mich fast jeden Tag. Können Sie sich das vorstellen – täglich eine Wunde! Können Sie sich vorstellen, wie mein Körper ausgesehen hat, als ich jung war?«
    Einigermaßen, ja.
    »Die Verbände an den Fingern hinderten mich aber nicht daran, Kuchen zu backen. Ich wollte unbedingt für Erektionen sorgen, ohne genau zu wissen, wie das aussehen sollte. Geil!, sagte mein Vater immer, wenn meine Mutter Zwiebeln schälte. Er drückte sich an ihren Rücken und küsste ihren Hals. Doch das war noch nicht alles. Lange Zeit war ich von meinem Bruder, genauer gesagt, von seinem Penis besessen. Sie nicht? Haben Sie keine Obsession? Keine speziellen Ängste? Keine Vorliebe für ein bestimmtes Loch? Egal. Der Penis meines Bruders ist riesig. Nicht zu überbieten. Und ich spreche nicht von seiner Größe – können Sie mir folgen? –, sondern von dem Platz, den er in meinem Kopf einnimmt. Alles klar? Wollen Sie Käse? Ich habe ihn nicht angerührt, ich werde ihn nicht essen. Der Penis meines Bruders hat verhindert, dass ich lieben konnte. Ich musste sogar mit dem Sex aufhören. Ich wollte mich nicht mehr hingeben. Sein Penis hat mich in gewisser Weise zugestopft. Früher dachte ich immer an meinen Bruder, wenn ich Sex hatte, doch das ist heute vorbei. Ich denke an mich. Die Erinnerung an ihn, wie er in seiner khakifarbenen Badehose aussah, gehört ausgelöscht! Was heißt hier ›ach ja‹? Khaki – Uniformfarbe. Ach, ist mir doch egal! Hören Sie? Es ist mir egal! Diese Stewardessen machen einen ja wahnsinnig! Können Sie denn nicht mal aufhören, immer hier vorbeizugehen? Haben Sie das gerochen, dieses Parfüm von der einen? Eine Unverschämtheit!«
    »Ja, es ist ein bisschen stark.«
    »Stark? Mein Bruder spielte immer mit Eimer und Schäufelchen und holte seinen Penis raus, um einen See zu machen. Er sagte – und zeigte ihn allen, die nicht den Blick abwandten; und ich kann Ihnen versichern, dass es viele Gaffer gibt, wenn ein Kind sich nackt auszieht –, er sagte also: Totor will einen See in dieser Burg machen. Er häufte Sand auf, dann besprengte er ihn mit seinem Urin und klatschte dabei in die Hände. Ich sollte eher sagen, er durchbohrte den Haufen. Sie hätten seinen starken Strahl sehen sollen! Wenn man das sieht, nur ein einziges Mal im Leben, zweifelt man nicht mehr an der Macht des Mannes. Dann versteht man alles – den Hundertjährigen Krieg, das Ende der Welt, Todesstrafe, Krätze, Waldbrände. Er liebte den Sommer, am Meer war er glücklich. Maman setzte ihm immer wieder das Hütchen auf, das ihm vom Kopf fiel. Sie schützte ihn vor der Sonne.«
    »Sie hätte ihn sich verbrennen lassen sollen, wenn ich das richtig verstehe.«
    »Ganz genau!«
    »Und war er denn Soldat?«
    »Nein. Können Sie mir folgen?«
    »Ja.«
    »Totor war ein Kind, aber ich habe seinen Lappen gesehen.«
    »Seinen was?«
    »Ich benutze andere Worte, um nicht an das Ding zu denken. Ich löse mich davon. Um nicht Penis zu sagen, sage ich ›Lappen‹ oder ›Köpfchen‹ – von ›Kopf‹, ich weiß; nicht nötig, mich darauf hinzuweisen, ich brauche Ihre Hilfe nicht, Sie sind wirklich unmöglich! Und so leicht zu durchschauen! Hat Ihnen das noch niemand gesagt?«
    Schade. Dieser Penis, der zwischen ihren Lippen aus und ein schlüpfte, brachte mich durcheinander. Mit »Köpfchen« kann ich mich abfinden.
    »Wenn ich mir heute einen Mann suche, damit er es mir besorgt, na, dann kann ich an etwas anderes denken als an das Köpfchen meines Bruders.«
    »An seinen Lappen zum Beispiel?«
    »Machen Sie keine Witze! Ich denke an mich, an die Lust, die mir der Mann macht. Wohnen Sie im Hotel?«
    »Ja.«
    Warum schweigt sie plötzlich?
    »Ich war dreimal verheiratet. Haben Sie Kinder? Ich habe eine Tochter aus zweiter Ehe – die übrigens nicht vollzogen wurde.«
    »Ach? Das ist unlogisch.«
    »Ich habe sie woanders vollzogen. Die Arme kleidet sich wie eine Nutte, aber sie kann keinen Mann halten. Das ist komisch. Wir haben nie groß über den Lappen geredet, aber ich habe den Eindruck, dass sie allein herausgefunden hat, wie man ihn auswringt. Oh, Entschuldigung! Aber warum entschuldige ich mich eigentlich? Im Grunde ist das doch lustig, eine Frau wie ich, die frei von der Leber weg redet. Ohne jedes Tabu. Darauf lege ich Wert!«
    Ich mache es jetzt. Ich lege ihr die Hand auf den Schenkel wie einen Verband. Ich schlage ihr vor, dass wir uns im Hotel wiedertreffen. Zuvor, für den Anfang,
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