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L(i)ebenswert (German Edition)

L(i)ebenswert (German Edition)

Titel: L(i)ebenswert (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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seufzte er leise. Geron musterte ihn, sagte aber nichts. Stattdessen setzte er das Tablett wieder ab, kniete neben ihm nieder und packte seine Hand, um ihn erneut zu fesseln.
    Ninosh nahm es hin, obwohl er bereits zitterte vor Anstrengung, nicht um Hilfe zu betteln. Wenn einem Mann nichts mehr blieb als sein Stolz, durfte er ihn nicht leichtfertig fortwerfen …
    Diese Entschlossenheit hielt, bis der Bannerführer sich anschickte, das Wasser endgültig fortzutragen.
    „Morgen früh kommt das Transportschiff, mit dem du zum Hauptstützpunkt gebracht wirst. Ich werde dir vorher noch einmal Essen anbieten. Vielleicht hast du bis dahin Vernunft angenommen.“
    Das war zu viel. Als Geron sich erhob, begann Ninosh trocken zu schluchzen. Das verursachte Schmerzen, die seine letzten Kräfte auffraßen.
    „Bitte“, wimmerte er, „bitte …“
    „Bitte was?“ Dunkelbraune Augen betrachteten ihn, als wäre er ein widerliches Insekt.
    „Wasser …“
    „Du hattest über zwei Stunden Gelegenheit zum Trinken, die du nicht genutzt hast.“
    Flackerte da Mitleid? Wirkte das strenge Gesicht ein wenig weicher? Der Bannerführer wandte sich zu schnell um, um sicher zu sein. Ninosh wusste kaum, was er denken sollte. Glaubte dieser Kerl etwa wirklich, dass er mit Absicht schmachtete?
    Was auch immer Geron glauben mochte, er bewegte sich mit dem Wasserbecher von ihm fort. Zwölf weitere Stunden ohne Trinken würde Ninosh nicht mehr ertragen. Er stieß einen vjalachanischen Fluch aus, für den seine zart besaitete Mutter ihn früher eigenhändig verprügelt hätte und Geron zu einem ungläubigen Blick über die Schulter veranlasste.
    „Du hasst mich, Nadisländer“, flüsterte Ninosh. „Du hasst mich für das, was ich bin, und weil du dich schämst, jemals mit mir Mitleid gehabt zu haben. Mir das Schmerzmittel zu versprechen und dann wegzunehmen ist eines. Aber bitte, gib mir das Wasser!“
    Geron stand eine Weile lang still, den Kopf von ihm abgewandt. Er schien zu überlegen.
    „Ich kann nicht mehr“, winselte Ninosh. Jeder Atemzug war die pure Hölle. Er schrie auf, als Geron ihn plötzlich hart im Nacken packte, und musste hastig reagieren, damit ihm mit dem Holzbecher, der sich beinahe brutal an seine Lippen presste, nicht die Zähne ausgeschlagen wurden. Ihm blieb kaum Zeit zu schlucken, ein Teil des kostbaren Wassers lief ihm nutzlos über das Kinn. Als ihm etwas in die Luftröhre geriet und zum Husten brachte, ließ Geron ihn los. Jeder einzelne Hustenstoß riss Ninosh in Stücke, er kam kaum zum Atmen. Er blieb fast bewusstlos liegen, als es vorbei war, konnte nur matt stöhnen, sobald Geron ihm wieder den Kopf hochriss. Nicht einmal die Lider ließen sich noch öffnen, Ninosh wollte sterben. Einfach sterben und nichts mehr spüren. Er hätte nie geglaubt, dass derart wenig Gewalt genügen konnte, einen Mann zu brechen …
    Erneut presste sich der Becher an seinen Mund, doch diesmal weniger heftig. Das Wasser floss nun langsamer, ihm blieb Zeit zu schlucken. Geron sprach kein Wort. Als der Becher geleert war, zog er Ninosh höher auf den Sattel, richtete schweigend die Decke und ging dann fort.
    Ninosh blieb zurück mit einem Körper, der mindestens noch einmal so schlimm schmerzte wie zuvor. Sein Durst war gestillt, oder besser gesagt, kurzzeitig befriedigt. Sein Stolz war dafür tödlich verletzt worden, und ob es das wert gewesen war … Letztendlich verlängerte es bloß das Leiden, zu dem sich sein Leben gewandelt hatte.

    Er hatte durchgehalten. Wie, wusste er selbst nicht. Irgendwie war auch die zweite Nacht vorbei gegangen. Geron hatte ihm bei Sonnenaufgang ohne Aufforderung geholfen zu trinken und einige Löffel graue Pampe zu essen, die sogar gut schmeckte. War der Hunger erst einmal groß genug, schmeckte alles gut! Anschließend hatte er ihm den Verband abgenommen, der heillos verrutscht war, leider ohne ihm einen neuen zu vergönnen, und ihm Kleidung übergestreift. Dafür war Ninosh ihm unendlich dankbar, er hatte schon gefürchtet, man würde ihn nackt in Ketten schlagen und auf das Schiff zerren. Die Vorstellung von einem Soldatenspalier, das ihn begaffte, verspottete, nach ihm schlug, hatte ihn bis in die ruhelosen Träume hinein verfolgt. Zwar war die Hose zu kurz und das Hemd viel zu lang und zu weit – offensichtlich waren es ausrangierte Sachen, da beides häufig geflickt und an einigen Stellen fadenscheinig geworden war – aber sie waren sauber und warm. Zudem bekam er seine eigenen Stiefel
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