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Liebe wird oft überbewertet

Liebe wird oft überbewertet

Titel: Liebe wird oft überbewertet
Autoren: Christiane Rösinger
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»Welcher Film?« lautet dann: »Meide die romantische Komödie!«
    Hier trennt sich auch im Freundeskreis die Spreu vom Weizen. Bislang einigermaßen vernünftige, geschmackssichere Menschen mit abgeschlossenem geisteswissenschaftlichen Studium finden plötzlich warme Worte für dieses zutiefst ungute Genre und überraschen mit Insiderwissen zu »Notting Hill«, »Pretty Woman«, »Haben Sie das von den Morgans gehört?« und »Bridget Jones« Teil  1 – 17 . Dabei ist die romantische Komödie der Trivialroman des 21 . Jahrhunderts, die scheußlichste Unterabteilung des Hollywood-Films. Selbst die Familienkomödie ist noch leichter zu ertragen, weil da wenigstens oft ein verwuschelter, schlecht erzogener Hund mitspielt.
    Wer sich kulturell über Rosamunde Pilcher erheben will, muss doch auch sehen, dass es sich bei der romantischen Komödie um den gleichen Inhalt in anderem setting handelt – abgelegene Grafschaft, verarmte Adelshäuser, verstockte ledige Landhausbesitzer, alleinstehende Pferdebetreuerinnen – statt nervöser Menschen mit Trendberufen in Singlewohnungen in Manhattan.
    Die romantische Komödie zementiert die heterosexuell-paarnormative Zwangsmatrix. Schon Jugendliche werden so darauf abgerichtet, den Irrglauben zu übernehmen, der Sinn des Lebens bestehe darin, sich zum unschönen Paar zusammenzuklumpen. Wohlweislich gilt bei der romantischen Komödie die Grundregel: Beim Happy End wird abgeblend’! Die Langeweile der Beziehung oder Dürftigkeit der Ehe, die auf das langwierige Sich-Finden des Paares folgt, wird aus gutem Grund ausgespart.
    Aber Freunde muss man manchmal eben auch aushalten. Nach einer emotional geführten Grundsatzdiskussion über den Wert der romantischen Komödie zog es die Kinogruppe dann zur französischen Komödie »Der Auftragslover«, denn, so die Argumentationslinie, man muss sich hin und wieder zur Feindbeobachtung auch um verhasste Genres kümmern. Der Ausflug in ein Kinocenter am äußersten Rande des Szenebezirks Friedrichshain war dann der in eine andere Welt: Hunderte Vorstadtpärchen in der Popcornhölle, die sich romantische Komödien anschauen – vielleicht weil ihr eigenes Beziehungsleben weder romantisch noch komödiantisch ist.
    Hochinteressant auch die Vorfilme: Es gibt jetzt nämlich auch Job-Komödien, Fußball-Komödien, und auch der Themenkomplex »Sex mit dem guten Freund« wird immer wieder neu komödiantisch verhandelt.
    Und schließlich konnten wir uns darauf einigen, dass es ein noch verhassteres Genre als das der romantischen Komödie gibt: Die deutsche Patchworkkomödie mit Til Schweiger.

Frühling
    »Manche Menschen wären nie verliebt gewesen,
wenn nicht immer so viel von der Liebe die Rede wäre.«
    La Rochefoucauld

Berlin, 7 . März
    Heute zum ersten Mal der Anflug eines ganz leichten Frühlingsgefühls. War mit C. auf dem Tempelhofer Feld unterwegs, um dort die schöne Weite und Leere, also das Nichts und die neuen Trendsportarten, die der sportfixierte Mensch angesichts diese Leere anscheinend sofort betreiben muss, zu besichtigen.
    Auf dem Weg dorthin waren uns schon viele großflächige Plakate aufgefallen, die auf eine »New Moon Night« im Hangar  2 des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof hinwiesen. Und als wir am frühen Abend zurückgingen, kamen uns Hunderte weibliche Teenager, die anscheinend aus ganz Deutschland zu diesem »Look & Feel« in »cooler, geheimnisvoller und romantischer Atmosphäre« strömten, entgegen. Pflichtbewusst kreischten sie sich schon beim Anblick der Plakate auf ihre Idole ein. Später erfuhren wir, dass es sich um eine Party anlässlich einer DVD - und Blue-Ray-Premiere eines amerikanischen Vampirfilms handelte. Zwar waren keine Vampir-Hauptdarsteller, sondern nur Nebendarsteller aus der Werwolf-Fraktion angereist, aber für die deutsche Premiere reichte wohl die zweite Garde.

Die Vampirbeziehung als positive Utopie
    Der Erfolg von Vampir-Liebesgeschichten beschäftigt die Welt ja schon länger, und bis heute gibt es noch keine umfassende philosophisch-soziologische Erklärung des Vampir-Phänomens.
    Entweder man geht allzu platt freudianisch mit »Biss statt Sex« an die Sache heran oder erklärt, dass die schwüle alte Vampirgeschichte als Keuschheitstraktat (vor allem nach den Geboten des mormonischen Glaubens der »Twilight«-Autorin Stephenie Meyer) eben gut ins prüde Amerika passt. Ferner wird gemutmaßt, die sittenstrenge Romantik ohne jede Ironie beschreibe ganz passend den
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