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Liebe wird oft überbewertet

Liebe wird oft überbewertet

Titel: Liebe wird oft überbewertet
Autoren: Christiane Rösinger
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allerdings der, bei dem wir ganz allein liegen«, sagt Herr Wiegand.
    Warum opfern dann Frauen ihre Nachtruhe? Weil der gemeinsame Schlaf ein wichtiges Beziehungsritual ist und getrennte Schlafzimmer als Ausdruck einer erkalteten Partnerliebe gelten. Und Frauen ist in den meisten Fällen das Beziehungsritual wichtiger als das eigene Bedürfnis. Weil es Frauenpflicht ist zu lieben und Beziehungsfrauenpflicht ist, das Du wichtiger zu nehmen als das Ich. Die Schlafforscher raten dazu, eine eigene Schlafkultur auszuhandeln – wer sich nicht einigen kann, bekommt ein eigenes Bett. Denn so sehr Pärchen auf die gemeinsame Nacht bestehen, so ungesund ist sie.
    Selber schuld!, sagt da die Paarkritikerin. Bezeichnenderweise wird auch in vielen Single-Erfahrungsberichten ausgiebig vom Vorteil eines eigenen Bettes geschwärmt, in dem die alleinstehende Frau endlich Schokolade essen und krümeln darf. Vielleicht haben diese Frauen aber nur zu viele Bridget-Jones-Romane gelesen?
    Der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann untersucht in seinem fragwürdig betitelten, aber hochinteressanten Buch »Singlefrau und Märchenprinz – Warum viele Frauen lieber alleine leben« das weibliche Single-Dasein. Sein Forschungsgegenstand sind 150  Leserbriefe an die Frauenzeitschrift »Marie Claire«. Kaufmann hat sie ausgewertet und dabei festgestellt, dass die Lebensform Single genauso gut emanzipatorische Unabhängigkeit wie einsames Warten auf die Erfüllung von Träumen bedeuten kann.
    Ein ganzes Kapitel hat er den »Orten des Unbehagens« für Singles gewidmet. Auch beim Bett, dem Symbol für das Paar, war er davon ausgegangen, dass es für die alleinstehende Frau ein problematischer Ort ist. Aber es stellte sich das Gegenteil heraus. Das Bett, so Kaufmann, ist für die Singlefrau ein weiches, verbündetes Möbelstück zum Träumen, Lesen, Telefonieren, Arbeiten, Essen. Das Bett allein zu bewohnen wird auf der Liste der weiblichen Freuden des Alleinseins besonders oft genannt. Kaufmann nennt diese Tätigkeiten »regressive und freiheitliche Gehorsamsverweigerung«. In den Briefen ist häufig die Rede vom Ausschlafen bis in den späten Vormittag, von dicken Socken, ausgeleierten T-Shirts und vom Schokolade-Naschen.
    Dem Soziologen scheint dies fast ein wenig zu viel des Guten: »Sollte sich das intime Leben alleinstehender Frauen tatsächlich auf dieses Bild reduzieren? Ist es tatsächlich möglich, dass Nachlässigkeit der Kleidung und Schokolade-Naschen den Zeitplan füllen?«, fragt er sich.
    Doch dann sieht er in diesen Gesten der häuslichen Revolte eine zentrale symbolische Bedeutung. Sie treten in den Vordergrund, weil sie die greifbaren Zeichen einer weitergehenden, umfassenderen Freiheit sind, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Kaufmann sieht in diesen Gesten nichts weniger als das Zurückschlagen jahrhundertelanger weiblicher Aufopferung.

Berlin, 14 . Februar
    Nachdem man nun schon seit zwei Wochen damit gequält wurde, ist es jetzt also endlich so weit: Valentinstag. Kann es sein, dass es von Jahr zu Jahr schlimmer wird?
    Valentinspartys mit »Love Songs«, Valentins-Specials in Restaurants und Autohäusern, rote Herzen und Bänder in jedem Schaufenster. Selbst in der Kosmetikabteilung des Biomarktes wird man damit belästigt: »Sinnliche Düfte und verwöhnende Pflege zum Valentinstag!« Wie tief will der Mensch noch sinken?
    Letztes Jahr hatte sich am Brandenburger Tor wenigstens noch ein Flashmob getroffen, um mit einem »Kiss-In« gegen die Kommerzialisierung des Valentinstags zu protestieren. Aber dieses Jahr regt sich kein Widerstand gegen die aus den USA und England importierte Unsitte. Der Irrglaube an die romantische Zweierbeziehung ( RZB ) ist eben weltweit fest verankert, und die bei allen Schrecken auch bequeme Paar-Ideologie zeigt am Valentinstag ihre schrecklichste Fratze.
    Die Tradition des Valentinstages wird heute zumeist auf die antike Legende von Valentin von Terni zurückgeführt, der als Bischof der italienischen Stadt Terni einige Verliebte christlich getraut hatte, darunter Soldaten, die nach damaligem kaiserlichen Befehl unverheiratet bleiben mussten. Angeblich hat er den frisch verheirateten Paaren Blumen aus seinem Garten geschenkt, was sich günstig auf die Ehen auswirkte. Aber ihm selbst brachten die Blumengeschenke kein Glück, auf Befehl des Kaisers Claudius  II . wurde er am 14 . Februar 269 aufgrund seines christlichen Glaubens enthauptet – wegen der heutigen verlogenen
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