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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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Tränen gesehen. Sie war immer die Gleiche, immer reizend, nett, fügsam, höflich, interessierte sich für das, was man sagte, amüsierte sich über die Witze, die man machte, aber ohne Überschwang, ohne Superlative und vor allem ohne Herzensergießungen.
    Also noch fast ein Monat bis zu diesem Besuch, dem ich mit so zwiespältigen Gefühlen entgegensah. Doch plötzlich nicht mehr fast ein Monat, sondern jetzt, heute, in diesem Augenblick, und schon glitt ich in einem großen schwarzen Daimler durch die Vororte von Oxford. Zum Glück war ich allein und hatte noch eine lange Fahrt vor mir, ungefähr zwanzig Meilen. Ich kannte die Strecke von den Jagden, an denen ich in dieser Gegend teilgenommen hatte. Vielleicht würde der Wagen ja auch immer so weiterfahren. Oben auf Lady Montdores Briefpapier stand: Hampton Place, Oxford, Bahnstation Twyfold. Aber Twyfold, mit Umsteigen und einer Stunde Wartezeit in Oxford, wurde nur solchen Leuten zugemutet, die aller Wahrscheinlichkeit nach nie imstande sein würden, sich dafür an Lady Montdore zu rächen, während jeder, für den sie die geringste Achtung empfand, in Oxford abgeholt wurde. »Immer höflich zu den Mädchen, man kann nie wissen, wen sie heiraten« ist eine Redensart, die so manches unverheiratete englische Fräulein davor bewahrt hat, dass man sie wie eine indische Witwe behandelt.
    So schob ich mich in meiner Ecke unruhig hin und her, sah hinaus in die tiefblaue Herbstdämmerung und wünschte mir, ich säße geborgen zu Hause oder würde nach Alconleigh fahren oder anderswohin, nur nicht nach Hampton. Immer wieder tauchten in der Landschaft vertraute Einzelheiten auf, und trotz der hereinbrechenden Dunkelheit konnte ich die Straße nach Merlinford mit dem riesigen Wegweiser noch erkennen. Aber schon im nächsten Augenblick – so kam es mir jedenfalls vor – bogen wir ab und fuhren durch ein Tor, an einem Pförtnerhaus vorbei. O Schreck! Ich war angekommen.

3
    Ein Knirschen im Kies; der Wagen kam zum Stehen, im gleichen Augenblick öffnete sich die Haustür, und ein Streifen Licht fiel mir vor die Füße. Sobald ich drinnen war, kümmerte sich der Butler um mich, nahm mir den Nutriapelz ab (ein Geschenk von Davey zu meiner Einführung in die Gesellschaft), führte mich durch die Vorhalle unter der großen gotischen Doppeltreppe hindurch, deren beide Arme auf hundert Stufen steil gen Himmel führten und sich bei einer Marmorgruppe trafen, die die trauernde Niobe darstellte, durch das achteckige Vorzimmer, durch den grünen Salon und den roten Salon in die Lange Galerie, wo er, ohne danach zu fragen, sehr laut und vernehmlich meinen Namen ausrief und mich dann verließ.
    Die Lange Galerie war so, wie ich sie in der Erinnerung immer vor mir sah: voller Leute. Diesmal waren es vielleicht zwanzig oder dreißig; einige saßen um einen Teetisch beim Kamin, andere standen mit Gläsern statt mit Tassen in der Hand und verfolgten eine Partie Backgammon. Diese Gruppe wurde ohne Zweifel von den »jungen verheirateten« Leuten gebildet, die Lady Montdore in ihrem Brief erwähnt hatte. Mir erschienen sie jedoch durchaus nicht jung, sie waren ungefähr so alt wie meine eigene Mutter. Sie schnatterten wie Stare auf einem Baum, unterbrachen ihr Geschnatter auch nicht, als ich hereinkam, und als mich Lady Montdore ihnen vorstellte, da verstummten sie bloß für einen kurzen Moment, sahen zu mir herüber und schnatterten weiter.
    Als sie meinen Namen nannte, meinte allerdings einer aus der Gruppe: »Nicht zufällig die Tochter der Hopse?«
    Lady Montdore hielt einen Augenblick lang verärgert inne, ich aber war es gewohnt, dass man meine Mutter als »Hopse« bezeichnete – niemand nannte sie je bei einem anderen Namen, auch ihre eigenen Schwestern nicht –, und flötete einfach: »Ja.«
    Jetzt schien es, als erhöben sich alle Stare in die Luft, um sich auf einem anderen Baum niederzulassen, und dieser Baum war ich.
    »Das Töchterchen der Hopse?«
    »Mach keine Witze – wie kommt die Hopse an eine erwachsene Tochter?«
    »Veronica – komm doch mal einen Augenblick herüber –, weißt du, wer das ist? Sie ist das Mädchen der Hopse, was sagst du jetzt?«
    »Komm und trink deinen Tee, Fanny«, meinte Lady Montdore. Sie führte mich zu dem Tisch, und die Stare schnatterten weiter über meine Mutter – allerdings in der »Erbsensprache«, die ich jedoch zufällig ziemlich gut verstand.
    »Isthistdifist siehiediefie dashastdiefast wirkhirkdifirk lichhichdifich? Für mich ist
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