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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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wenn du das tust – ich bestehe darauf, dass du bleibst –, allein stehe ich das nicht durch, mit oder ohne Strahlen.«
    Vielleicht war ihr, genau wie mir, der Gedanke gekommen, dass Lady Montdores Strahlen verblassen und ihr Unwille über das, was Polly getan hatte, neue Nahrung erhalten könnte, wenn sie Polly in Lady Patricias kaum verändertem Zimmer erblickte, in ebenjenem Bett, in dem Lady Patricia ihren letzten Atemzug getan hatte. Auch mir war das alles zunächst ziemlich unerfreulich vorgekommen, bis ich mich an die Vorstellung gewöhnt hatte. Aber Überempfindlichkeit war nie eine Schwäche von Lady Montdore gewesen, außerdem hatte die große Flamme des Glücks, die Cedric in ihrem Herzen entfacht hatte, längst alle Empfindungen verbrannt, die sich nicht unmittelbar auf ihn bezogen. Er war jetzt der einzige Mensch auf der Welt, der für sie greifbare Realität besaß.
    Deswegen geriet das Strahlen nicht ins Flackern, sie glänzte geradezu vor guter Laune, als sie zuerst Polly und dann mir einen Kuss gab. Sie sah sich im Zimmer um und sagte: »Du hast die Frisierkommode umgestellt, es ist viel besser so, heller. Herrliche Blumen, Liebling, diese Kamelien – darf ich eine haben, für Cedrics Knopfloch? Ach, von Paddington sind sie? Der arme Geoffrey, ich fürchte, er ist ein bisschen größenwahnsinnig, ich bin nie dort gewesen, seit er die Nachfolge angetreten hat. Sein Vater war ganz anders, ein reizender Mann, ein guter Freund von uns, König Edward mochte ihn auch sehr, und Loelia Paddington war natürlich einfach hinreißend – die Leute sind auf die Stühle geklettert, wisst ihr. Das arme Baby ist also gestorben, na, ich denke, es hat auch sein Gutes, Kinder sind heutzutage eine furchtbar kostspielige Angelegenheit.«
    Schwester, die gerade rechtzeitig eintrat, um diese Bemerkung noch mitzubekommen, griff sich ans Herz und wäre fast in Ohnmacht gefallen. Wieder etwas, das sie ihren nächsten Patientinnen erzählen konnte; in ihrer ganzen Schwesternlaufbahn hatte sie gewiss noch nie eine Mutter so zu ihrer einzigen Tochter sprechen hören. Aber Polly, die ihre Mutter mit offenem Mund anstarrte und ihr neues Äußeres in allen Einzelheiten in sich aufnahm, blieb ungerührt; es war zu typisch für Lady Montdores ganze Einstellung zum Leben, als dass jemand, der von ihr großgezogen worden war, sich darüber wundern oder empören konnte. Jedenfalls bezweifle ich, dass Polly die Sache mit dem Baby sehr zu Herzen ging; mir kam Polly eher wie eine Kuh vor, der man bei der Geburt das Kalb wegnimmt und die den Verlust gar nicht bemerkt.
    »Schade, dass du nicht zu dem Ball kommen konntest, Fanny«, fuhr Lady Montdore fort. »Bloß für eine halbe Stunde, um einen Blick zu riskieren. Es war wirklich schön. Aus Paris kamen allerlei Freunde von Cedric, in den ausgefallensten Kleidern, und ich muss schon sagen, obwohl ich die Franzosen nie gemocht habe, sie waren wirklich sehr höflich und äußerst empfänglich für alles, was ihnen geboten wurde. Alle haben gesagt, so eine Party habe es seit den Tagen von Robert de Montesquiou nicht mehr gegeben, und das glaube ich ihnen gern – sie hat 4000 Pfund gekostet, wisst ihr –, allein schon das Wasser für die Gondeln! Aber damit zeigt man diesen Ausländern, dass England noch nicht am Ende ist, eine hervorragende Reklame. Ich habe alle meine Diamanten getragen, und Cedric habe ich einen Diamantenstern geschenkt, der sich dreht (er läuft mit Uhrwerk), er trug ihn an der Schulter – außerordentlich wirkungsvoll, muss ich sagen. Wir haben jede Minute genossen, und ihr müsstet mal die Briefe lesen, die ich danach bekommen habe, wirklich rührend, die Leute hatten in den letzten Jahren so wenig Spaß, deswegen sind sie natürlich um so dankbarer. Wenn wir das nächste Mal kommen, bringe ich die Fotos mit, sie vermitteln einen großartigen Eindruck.«
    »Was hattest du denn an, Mami?«
    »Longhi«, sagte Lady Montdore ausweichend. »Veronica Chaddesley Corbett war als Prostituierte wirklich hervorragend (früher nannte man sie noch anders), und Davey war auch da, Fanny, hast du schon mit ihm gesprochen? Er kam als der Schwarze Tod. Jeder hat sich wirklich Mühe gegeben, wisst ihr – wirklich schade, dass ihr Mädchen nicht kommen konntet.«
    Es entstand eine Pause. Sie sah sich im Zimmer um und meinte mit einem Seufzer: »Arme Patricia – na ja, das ist vorbei. Boy hat uns von seinem Buch erzählt, glänzende Idee, Drei Herzöge , und Cedric interessiert sich
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