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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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sie ihm nach, öffnete dazu sogar noch einmal die Tür und schrie es die Treppe hinunter. »So, Fanny, und jetzt habe ich noch eine letzte Bitte, ich möchte, dass du mit mir bei Fuller’s zu Mittag isst – sag nichts, du wolltest sagen: ›Sieh dir das Wetter an‹, stimmt’s?, aber wir werden uns ein Taxi bestellen. Fuller’s! Du ahnst nicht, wie ich mich in Sizilien nach Dover-Seezunge und Walnusstorte und so einem Tag wie heute gesehnt habe. Weißt du noch, wie wir von Alconleigh aus immer dorthingefahren sind, als dein Haus renoviert wurde? Ich kann gar nicht glauben, dass es dasselbe Haus ist und dass wir noch dieselben Menschen sind. Aber du bist immer noch die gleiche liebe Fanny, genau wie damals, als wir aus Indien zurückkamen. Warum muss ausgerechnet ich immer ins Ausland? Ich finde es einfach grässlich, du nicht?«
    »Ich war erst einmal im Ausland«, sagte ich, »es ist sehr hell dort, nicht wahr?«
    »Ja, es blendet furchtbar. Stell dir vor, wenn man für immer dort leben müsste. Zuerst waren wir in Spanien, und du wirst es nicht glauben, aber jede Mahlzeit hat dort zwei Stunden Verspätung – zwei Stunden, Fanny (können wir heute um halb eins zum Lunch gehen?) –, und wenn es endlich so weit ist, hat man natürlich keinen Hunger mehr, es ist einem nur noch schlecht, und alles ist in ranzigem Öl gebraten, ich rieche es jetzt noch, sie schmieren es sich auch in die Haare, und damit es besser schmeckt, sind überall an den Wänden Bilder, auf denen irgendein lieber alter Stier zu Tode gequält wird. Den ganzen Tag denken sie nur an Stiere und an die Jungfrau Maria. Ich glaube, in Spanien war es am schlimmsten. Boy hat nichts gegen das Ausland, es macht ihm anscheinend sogar Spaß, und er spricht all diese affektierten Sprachen (Italienisch, Liebling, du würdest sterben!), aber ich hätte es bestimmt nicht mehr lange ausgehalten, ich wäre vor Heimweh eingegangen. Na ja, jetzt bin ich hier.«
    »Was hat euch denn zurückgeholt?«, fragte ich und meinte eigentlich, wie sie es sich hatten leisten können – so arm, wie sie nach Daveys Worten waren. Silkin war zwar kein großes Haus, aber drei oder vier Hausangestellte waren doch notwendig.
    »Erinnerst du dich an meine Tante Edna in Hampton Court? Das alte Fräulein ist gestorben und hat mir ihr ganzes Geld hinterlassen – nicht viel, aber wir glauben, dass wir uns das Leben in Silkin so gerade leisten können. Außerdem schreibt Boy an einem Buch, auch deshalb musste er zurückkommen, wegen der Bibliothek in London und Paddington.«
    »Paddington?«, fragte ich und dachte an den Bahnhof in London.
    »Der Herzog. Sein Archiv. Und außerdem dieses Baby. Stell dir vor, im Ausland ein Kind zur Welt bringen, das arme Ding, keine Kuh weit und breit. Trotzdem, Boy hat keine große Lust, sich auf Dauer hier niederzulassen, ich glaube, er hat immer noch Angst vor Mami, weißt du – ich auch, ein bisschen, das heißt, Angst nicht direkt, mir behagt bloß die Vorstellung nicht, dass es irgendwelche Szenen geben könnte. Aber eigentlich kann sie uns nichts mehr anhaben, oder?«
    »Ich glaube, wegen ihr braucht ihr euch keine Sorgen zu machen«, sagte ich, »deine Mutter hat sich in den letzten beiden Jahren vollkommen verändert.«
    Ich wollte nicht sagen, was ich dachte: dass ihr Boy und Polly völlig gleichgültig waren und dass sie wahrscheinlich sogar halbwegs freundlich zu ihnen sein würde, es hing ganz davon ab, wie Cedric sich verhielt – alles, was sie betraf, hing heutzutage von Cedric ab. Wenig später, als wir an unserem Tisch inmitten der Eichenholzgediegenheit bei Fuller’s Platz genommen (»Wie sauber und hübsch hier alles ist – und die blonden Kellnerinnen, du machst dir keine Vorstellung, wie dunkel die Kellner im Ausland sind«) und unsere Dover-Seezungen bestellt hatten, sagte Polly, ich solle ihr von Cedric erzählen.
    »Weißt du noch«, fragte sie, »wie ihr ihn immer nachgeschlagen habt, du und Linda, um zu sehen, ob er passen würde?«
    »Er hätte nicht gepasst «, sagte ich, »das steht fest.«
    »Ich dachte es mir«, sagte Polly.
    »Was weißt du über ihn?«
    Plötzlich überkam mich eine Art Schuldgefühl, weil ich selbst schon so viel wusste, und ich hoffte nur, dass Polly nicht glaubte, ich wäre ins feindliche Lager übergelaufen. Aber jemand, der so jagdbegeistert ist wie ich, widersteht nicht so leicht der Versuchung, mit dem Hasen zu laufen und mit den Hunden zu jagen, wenn sich die Chance dazu ergibt. Ich wollte
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