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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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dir?«, fragte er mich und zupfte an Lady Montdores Tüllrock. »Wir haben es per Telefon bestellt, als wir in Craigside waren – sehnst du dich auch so nach der Television ? –, Mainbocher wollte jedenfalls einfach nicht glauben, dass Sonia so viel abgenommen hat.«
    Sie war wirklich sehr dünn.
    »Ich sitze in einer Dampftonne«, sagte sie mit einem liebevollen Blick zu Cedric, »ungefähr eine Stunde oder zwei, dann kommt dieser nette Mr Wixman zweimal die Woche, wenn wir in Hampton sind, und klopft mich, und der Morgen ist im Nu herum. Cedric bespricht jetzt immer alles mit der Köchin, ich stelle nämlich fest, dass ich mich in meiner Tonne für das Essen nicht sonderlich interessiere.«
    »Aber liebe Sonia«, sagte Davey, »ich hoffe, du besprichst das alles mit Dr Simpson? Ich bin entsetzt über deinen Zustand, wirklich viel zu dünn, nur Haut und Knochen. Weißt du, in unserem Alter ist es höchst gefährlich, mit dem eigenen Gewicht zu spielen, eine fürchterliche Belastung für das Herz.«
    Es war sehr nett von Davey, »in unserem Alter« zu sagen, denn Lady Montdore war gute vierzehn Jahre älter als er.
    »Dr. Simpson!«, sagte sie verächtlich. »Mein lieber Davey, der ist schrecklich hinter der Zeit zurück. Er hat mir noch nicht einmal gesagt, wie gut es tut, auf dem Kopf zu stehen, und Cedric erzählt, in Paris und Berlin machten sie das schon eine Ewigkeit so. Ich muss sagen, seit ich es gelernt habe, fühle ich mich mit jedem Tag jünger. Das Blut schießt einem durch die Drüsen, und das mögen sie.«
    »Woher weißt du, dass sie es mögen?«, fragte Davey sichtlich aufgebracht. Er verachtete jede medizinisch geregelte Lebensweise außer der, die er selbst gerade befolgte, und betrachtete alle anderen als gefährlichen Aberglauben, mit dem skrupellose Quacksalber leichtgläubigen Dummköpfen zu Leibe rücken. »Wir wissen so wenig über unsere Drüsen«, fuhr er fort. »Warum sollte es gut für sie sein? Will denn Mutter Natur, dass wir auf dem Kopf stehen – stehen Tiere auf dem Kopf, Sonia?«
    »Das Faultier«, sagte Cedric, »und die Fledermaus hängen stundenlang mit dem Kopf nach unten – das können Sie nicht bestreiten, Davey.«
    »Ja, aber fühlen sich Faultiere und Fledermäuse mit jedem Tag jünger? Ich zweifle daran. Fledermäuse vielleicht, aber Faultiere bestimmt nicht.«
    »Komm, Cedric«, sagte Lady Montdore, sehr verstimmt über Daveys Bemerkung, »wir müssen gehen.«
    Lady Montdore und Cedric bezogen nun für den Winter das Montdore House in London, und ich bekam sie nicht mehr zu Gesicht. Die Londoner Gesellschaft, die keine Vorurteile gegen das Außergewöhnliche hegte, wie sie bei den Boreleys und bei Onkel Matthew noch vorhanden waren, konnte von Cedric gar nicht genug bekommen, und gelegentlich drang die Kunde von seinem großen Erfolg sogar bis Oxford. Es schien, als wäre ein solcher Richter in Geschmacksfragen, ein solcher Ausrichter von Festlichkeiten seit den Tagen der Beaux und Dandys nicht mehr aufgetreten, als schwebte er von einem rauschenden Fest zum nächsten und Lady Montdore immer hinter ihm her.
    »Ist sie nicht wunderbar? Und dabei ist sie schon siebzig –achtzig – neunzig.« Ihr Alter stieg in Sprüngen. »Ein süßes Ding, so jung, so apart, so möchte ich auch sein, wenn ich hundert bin.«
    Aus einem schreckenerregenden Götzenbild von sechzig hatte Cedric also ein apartes junges Ding von hundert gemacht. Gab es etwas, das nicht in seiner Macht stand?
    Ich erinnere mich, wie ich an einem eiskalten Tag im späten Frühjahr Mrs Chaddesley Corbett über den Weg lief, die zusammen mit einem jungen Mann den Turl herunterkam: Vielleicht ihr Sohn, dachte ich, er hat genauso wenig Kinn wie sie.
    »Fanny!«, rief sie. »Ach, stimmt ja, Liebling, du wohnst jetzt hier, nicht wahr? Cedric erzählt mir so viel von dir. Er mag dich sehr, das muss man sagen.«
    »Oh«, sagte ich erfreut, »ich mag ihn auch gern.«
    »Man muss ihn einfach mögen, oder? So fröhlich und warmherzig, ein herrliches Püppchen. Und Sonia – das nenne ich eine Veränderung, wie? Pollys Heirat scheint zu guter Letzt doch ein Segen für sie gewesen zu sein. Hörst du eigentlich schon mal von Polly? Wie konnte sie bloß, die Ärmste! Aber ich schwärme für Cedric – in London tun das alle –, der Kleine Lord Fauntleroy. Heute Abend sind beide zum Dinner bei mir, ich richte ihnen liebe Grüße von dir aus, soll ich? Bis bald, Liebling, auf Wiedersehen.«
    Ich traf Mrs Chaddesley Corbett
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