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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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sie in Montdore House geben. Cedric war neulich bei mir und sprach von nichts anderem – er sagt, sie würden erst nach dem Ball wieder nach Hampton kommen.«
    »Was ist ein Longhi-Ball?«
    »Ach, venezianisch, weißt du. In den Sälen echtes Wasser mit echten Gondeln darauf. ›O sole mio‹ auf hundert Gitarren, alle Lakaien in Masken mit Umhängen, kein Licht, außer den Kerzen in venezianischen Lampions, bis die Gäste in den Ballsaal kommen, dann wird ein Scheinwerfer auf Cedric und deine Mutter gerichtet, die ihre Gäste aus einer Gondel begrüßen. Ein bisschen anders als dein Ball, wie, Polly? Ach ja, da fällt mir ein, Cedric wird auch nicht zulassen, dass irgendwelche königlichen Hoheiten eingeladen werden, er sagt, in London würden sie alles verderben; in Paris sei das ganz anders, da wüssten sie, wo ihr Platz sei.«
    »Du liebe Güte«, sagte Polly, »wie die Zeiten sich ändern. Nicht mal die alte Supermadam?«
    »Nein, und die neue Infantin deiner Mutter auch nicht. Cedric blieb unerbittlich.«
    »Fanny, du musst unbedingt hingehen – das tust du doch?«
    »Oh, Liebling, ich kann nicht. Ich werde so schläfrig nach dem Dinner, wenn ich schwanger bin, ich schaffe es einfach nicht. Aber wir werden uns alles erzählen lassen, von Cedric.«
    »Und wann findet er statt?«
    »In weniger als einem Monat, am sechzehnten, glaube ich.«
    »Ach, genau an dem Tag erwarte ich das Baby, wie praktisch. Und wenn dann alles vorbei ist, können wir uns treffen, oder? Du sorgst dafür, dass es klappt, versprich es mir.«
    »Oh, keine Sorge, wir werden Cedric gar nicht davon abhalten können. Er interessiert sich sehr für dich.«
    Boy kam zurück, als wir in meinem Haus gerade mit dem Tee fertig waren. Er sah ganz verfroren und erschöpft aus, aber Polly wollte nicht warten, bis frischer Tee für ihn gemacht war. Sie gestattete ihm eine lauwarme Tasse und schleppte ihn dann fort.
    »Ich nehme an, du hast den Wagenschlüssel wieder verloren, wie üblich«, sagte sie ungnädig, als sie nach unten ging.
    »Nein, hier ist er, an meinem Schlüsselbund.«
    »Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder«, sagte Polly. »Also dann, auf Wiedersehen, Liebling, ich rufe dich an, demnächst machen wir mal wieder eine Kneipentour.«
    Als Alfred später kam, sagte ich: »Ich habe Polly getroffen, stell dir vor, sie war den ganzen Tag hier, aber sie ist kein bisschen mehr in ihn verliebt, Alfred!«
    »Denkst du denn immer nur daran, wer in wen verliebt ist und wer nicht?«, fragte er aufgebracht.
    Norma würde sich ebenso wenig dafür interessieren, das wusste ich und sehnte mich nach Davey oder Cedric, um mit einem von ihnen noch einmal alles durchzusprechen.

8
    Polly zog also jetzt in das Haus ihrer Tante in Silkin. Es war immer mehr das Haus von Lady Patricia als von Boy gewesen, denn sie hatte die ganze Zeit über dort gelebt, während er immer zwischen London und Hampton unterwegs war und gelegentlich einen Abstecher auf den Kontinent machte, und das Innere dieses Hauses war mit einer sehr weiblichen Art von Geschmacklosigkeit eingerichtet, das heißt, ohne Geschmack und ohne Komfort. Es war ein bisschen, aber nicht viel besser als Normas Haus, denn sein Alter war echt und nicht erkünstelt, und es stand wirklich auf dem Lande und nicht in einem Vorort von Oxford; es gab auch ein paar gute Möbelstücke darin, und wo man bei Norma Cretonnestoffe fand, da stieß man bei den Dougdales auf Boys Stickereien. Aber vieles war auch ähnlich, vor allem in den oberen Räumen, wo die Fußböden mit Linoleum belegt waren und wo, obgleich die Dougdales gar keine Kinder hatten, jedes Badezimmer als Kinderbadezimmer eingerichtet war und stark nach einer nicht besonders guten Seife roch.
    Polly machte keinen Versuch, etwas zu verändern. Sie ließ sich einfach in Lady Patricias Bett plumpsen, das in Lady Patricias Schlafzimmer stand, von dessen Fenster aus man Lady Patricias Grab sehen konnte. »Geliebte Gattin von Harvey Dougdale« stand auf dem Grabstein, der einige Wochen nach der Verbindung des armen Harvey Dougdale mit einer neuen geliebten Gattin aufgestellt worden war. »Sie wird nicht altern, wir indessen müssen ausharren und altern.«
    Ich glaube, Polly machte sich nicht viel aus Häusern, denn »ein Haus« – das war für sie Hampton und was dazugehörte, aber dort konnte sie nicht mehr wohnen, und für andere Häuser interessierte sie sich nicht. Was immer im Leben ihr Interesse zu fesseln vermochte – und noch hatte die Zeit
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