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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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Zustand mit einem Blick bemerkt und sofort gesehen, dass ich ein zu kleiner Fisch für ihr Netz war, aber sie war die Freundlichkeit in Person und sagte, ich würde Lady Polly von nun an hoffentlich jeden Tag besuchen kommen.
    »Sehen Sie in Oxford eigentlich schon mal Jeremy Chaddesley Corbett?«, fragte sie mich. »Er ist eines meiner Lieblingsbabys.«
    Wenig später kam sie schon wieder herein, diesmal mit leeren Händen und ziemlich rot. Sie wirkte, falls dies überhaupt möglich war, ziemlich fassungslos und verkündete, Lady Montdore stehe unten. Schwester hätte jede von uns seelenruhig in einen Sarg gestopft, aber die Ankunft von Lady Montdore brachte sogar ihre stählernen Nerven zum Flattern.
    Auch Polly geriet aus der Fassung und sagte mit schwacher Stimme: »Oh! Ist Mr … ich meine, mein … also ist Boy da?«
    »Ja, er ist bei ihr. Er lässt fragen, ob Sie Ihre Mutter sehen möchten – wenn Sie nicht wollen, Lady Polly, ich kann ihr vollkommen wahrheitsgemäß erklären, dass Sie heute keinen weiteren Besuch empfangen dürfen. Eigentlich sollten Sie wirklich nicht, am ersten Tag.«
    »Ich wollte ohnehin gehen«, sagte ich und stand auf.
    »Nein, nein, nein, Fanny, bitte nicht, Liebling. Ich weiß noch nicht, ob ich sie sehen will, aber allein bleiben möchte ich mit ihr auf gar keinen Fall, setz dich sofort wieder hin, bitte.«
    Draußen im Garten hörte man Stimmen.
    »Geh doch mal ans Fenster«, bat Polly, »sind sie es?«
    »Ja, Cedric ist auch dabei«, sagte ich, »sie gehen zu dritt im Garten umher.«
    »Nein! Cedric muss ich einfach sehen, unbedingt – Schwester, seien Sie so nett und sagen Sie ihnen, sie sollen sofort heraufkommen.«
    »Nein, Lady Polly, unmöglich! Und bitte regen Sie sich nicht auf, Sie müssen jede Erregung vermeiden. Es kommt überhaupt nicht infrage, dass Sie heute einen Fremden empfangen – nahe Verwandte, hat Dr. Simpson gesagt, und jeweils nur einen. Ich denke, Ihre Mutter müssen wir für ein paar Minuten herauflassen, wenn Sie es wollen, aber sonst niemanden und ganz bestimmt keinen fremden jungen Mann.«
    »Ich sollte wirklich mit Mami sprechen«, sagte Polly zu mir, »sonst geht dieser alberne Zwist ewig weiter, außerdem kann ich es gar nicht erwarten, ihr Haar und ihre Beine zu sehen. Aber vor allem sehne ich mich nach Cedric.«
    »Anscheinend ist sie in sehr vergnügter Stimmung«, sagte ich von meinem Beobachtungsposten am Fenster aus, »sie lachen und plaudern. Sehr schick in Dunkelblau mit einem Matrosenhut. Boy ist wunderbar. Ich hätte gedacht, ihre Erscheinung würde ihm einen Schock versetzen, aber er tut so, als würde es ihm gar nicht auffallen, blickt die ganze Zeit auf Cedric. Die beiden kommen wunderbar miteinander aus.«
    Sehr schlau von ihm, dachte ich insgeheim. Wenn er sich mit Cedric gut stellte, würde er auch sehr bald wieder in Lady Montdores Gunst stehen, und vielleicht ließe sich dann doch noch eine kleine Änderung an Lord Montdores Testament bewerkstelligen.
    »Den Matrosenhut muss ich sehen; los, bringen wir es hinter uns. Also gut, Schwester, bitten Sie sie herauf – einen Augenblick, geben Sie mir zuerst einen Kamm und einen Spiegel, bitte. Mach weiter mit deiner Direktreportage, Fanny.«
    »Also, Cedric und Boy schwatzen ununterbrochen miteinander, ich glaube, Boy bewundert Cedrics Anzug, eine Art grober blauer Tweed, sehr hübsch, mit scharlachroten Paspelierungen. Lady Montdore lächelt in einem fort und sieht sich um. Du kennst ja die Art.«
    »Ich sehe es vor mir«, sagte Polly, während sie ihr Haar kämmte.
    Ich erwähnte nicht, dass Lady Montdore in diesem Augenblick gerade über die Kirchhofmauer nach dem Grab ihrer Schwägerin spähte. Boy und Cedric hatten sie dort zurückgelassen und strebten lachend, redend, gestikulierend dem schmiedeeisernen Tor zu, das in den Küchengarten führte.
    »Weiter«, sagte Polly, »bleib dran, Fanny.«
    »Da ist Schwester, sie schwebt deiner Mutter entgegen, und die strahlt einfach – beide strahlen –, ein solches Lächeln habe ich noch nie gesehen, Schwester genießt es ungemein! Da kommen sie. Deine Mutter sieht so froh aus, mir wird ganz anders ums Herz, man sieht wirklich, wie sie dich die ganze Zeit vermisst haben muss, tief in ihrem Herzen.«
    »Unsinn«, sagte Polly, aber sie machte ein fröhliches Gesicht.
    »Liebling, ich glaube wirklich, ich würde nur stören. Ich verschwinde einfach durch Boys Ankleidezimmer.«
    »Kommt nicht infrage, Fanny. Ich wäre dir ernsthaft böse,
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