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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2
Autoren: Michelle Zink
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nicht zu übersehen. Sie wandern über mein Gesicht, meinen Hals entlang und ruhen einen Moment auf den sanften Kuppen meiner Brüste oberhalb des moosgrünen Korsetts meines Kleides. Rasch blickt er zur Seite, und in dem Bruchteil der Sekunde, ehe er einen Schritt rückwärts macht, fühle ich die Hitze, die zwischen unseren Körpern aufsteigt, höre das leise Aufkeuchen, von dem ich nicht weiß, ob er es ausgestoßen hat oder ich.
    »Arthur hat mich eingeladen.« Die Wärme ist aus seiner Stimme verschwunden, und plötzlich hört er sich an wie ein perfekter Gentleman. »Arthur Frobisher. Unsere Familien sind seit Jahren befreundet.«
    »Oh, ich verstehe.« Jetzt klingt mein Seufzen deutlich durch die Nachtluft. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, warum ich voller Angst die Luft anhielt. Ich nehme an, dass es fast unmöglich ist, irgendjemandem zu vertrauen, wenn man die Fähigkeit der Seelen kennt, nahezu jede Gestalt anzunehmen – und am häufigsten die eines Menschen.
    »Lia?« Sonia ruft mich von der Terrasse aus.
    Ich muss meinen Blick beinahe gewaltsam von den Augen des Mannes lösen. »Ich bin im Garten.«
    Ihre Absätze klappern auf den Steinplatten der Terrasse, werden lauter, je näher sie uns kommt. »Was machst du hier draußen? Ich dachte, du wolltest uns ein Glas Punsch holen!«
    Ich wedele mit der Hand in Richtung des Hauses. »Es ist so heiß und stickig da drin. Ich wollte etwas frische Luft schnappen.«
    »Elspeth hat verkündet, dass gleich das Essen serviert wird.« Ihr Blick fällt auf meinen Begleiter.
    Ich schaue ihn ebenfalls an. »Das ist meine Freundin, Sonia Sorrensen. Sonia, das ist … Es tut mir leid, ich kenne nicht einmal Ihren Namen.«
    Er zögert und macht dann eine kleine, formelle Verbeugung. »Dimitri. Dimitri Markov. Es ist mir ein Vergnügen.«
    Auch in dem Dämmerlicht des Gartens ist Sonias Neugier nicht zu übersehen. »Ich freue mich ebenfalls, Sie kennenzulernen, Mr Markov. Aber ich fürchte, wir müssen uns jetzt zu Tisch begeben, ehe Elspeth auf die Idee kommt, eine Suchmannschaft nach uns auszuschicken.« Sie lässt mich spüren, dass sie viel lieber hier draußen geblieben wäre und herausgefunden hätte, was ich mit einem dunklen, gut aussehenden Fremden allein im Garten treibe, anstatt zum Essen ins Haus zu gehen.
    Ich höre das Lächeln in Dimitris Erwiderung. »Nun, das dürfen wir natürlich nicht zulassen, nicht wahr?« Er nickt zum Haus. »Nach Ihnen, meine Damen.«
    Ich folge Sonia zurück zum Haus und Dimitri reiht sich hinter mir ein. Ich fühle seine Augen auf mir, bei jedem Schritt, den ich mache. Ich fühle ein Kribbeln, obwohl ich mir alle Mühe gebe, den Anflug von gedanklicher Untreue James gegenüber beiseitezuwischen. Und was ich noch verdrängen möchte – aber nicht kann –, ist ein bestimmter Verdacht.

3
    Später an diesem Abend sitze ich am Schreibtisch in meinem Zimmer und halte den Umschlag in meinen Händen. Wieder ein Brief von James.
    Ich sollte ihn jetzt gleich lesen. Wenn ich es hinauszögere, wird es nicht leichter. Keine unerwartete Stärke wird in mir erblühen und mich vor dem Schmerz schützen, der kommen wird, der immer kommt, wenn ich seine Briefe lese. Und es ist mir auch nicht möglich, ihn ungeöffnet zu lassen. James verdient es, gehört zu werden. Das zumindest schulde ich ihm.
    Ich greife nach dem silbernen Brieföffner, schiebe ihn unter die versiegelte Klappe des Umschlags und reiße ihn auf, noch ehe ich Zeit habe, es mir anders zu überlegen.
    3. Juni 1891
    Meine liebste Lia,
    heute ging ich am Fluss spazieren, an unserem Fluss, und dachte an dich. Ich erinnerte mich daran, wie dein Haar im Sonnenlicht schimmert, und an die sanfte Wölbung deiner Wange, wenn du deinen Kopf senkst und mich neckend anlächelst. Aber das ist nichts Neues. Ich denke jeden Tag an dich. Als du mich verlassen hast, versuchte ich zunächst, mir ein düsteres Geheimnis vorzustellen, das dich zu einem solchen Schritt veranlasst hatte. Es gelang mir nicht. Denn es gibt kein Geheimnis, keine Furcht, kein Hindernis, das mich jemals willentlich von dir fernhalten könnte. Ich habe immer angenommen, dass du das Gleiche fühlst wie ich.
    Ich glaube, ich habe endlich akzeptiert, dass du fortgegangen bist. Nicht nur das, sondern dass du schweigend fortgegangen bist, dass auf meine wiederholten Briefe kein Wort der Erwiderung kommt, keine Hoffnung.
    Ich würde gerne sagen, dass ich immer noch an dich glaube, an dich und an eine gemeinsame Zukunft.
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