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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2
Autoren: Michelle Zink
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Gespräch vertieft. Wenn ich jetzt wieder zu ihnen zurückkehrte, würde ich mir damit keine Freunde machen, selbst wenn ich drei Gläser Punsch mitbringen würde.
    Und so verlasse ich den Salon und folge dem Klang der Stimmen, die aus einem abgedunkelten Raum am anderen Ende der Halle dringen. Die Tür ist nur angelehnt, und als ich durch den Spalt schaue, sehe ich eine Gruppe um einen kreisrunden Tisch versammelt. Jennie Munn macht sich bereit, die Anwesenden durch eine Seance zu führen. Ich bin froh und stolz zugleich, denn Jennie wurde von Sonia unterwiesen und hat dank der Anleitung meiner Freundin die Gaben, die ihr in die Wiege gelegt wurden, deutlich verbessern können.
    Jennie fordert die anderen Gäste am Tisch auf, ihre Augen zu schließen, und ich ziehe die Tür zu, während ich leise zurücktrete. Dann gehe ich durch die Halle und steuere auf einen kleinen Hof an der Rückseite des Hauses zu. Ich greife nach der Türklinke und frage mich gleichzeitig, ob ich meinen Mantel brauche, als ich mich in dem Spiegel an der Wand bemerke. Eitelkeit gehört nicht zu meinen Schwächen. So etwas passt besser zu Alice. Ich habe sie immer für schöner gehalten als mich selbst, trotz der Tatsache, dass wir eineiige Zwillinge sind. Aber jetzt, da ich mein Gesicht im Spiegel erblicke, erkenne ich mich kaum wieder.
    Das Antlitz, das ich früher immer für zu rund befunden habe, für zu weich, ist nun mit eleganten Wangenknochen ausgestaltet. In meinen grünen Augen, die ich von meiner Mutter geerbt habe und die schon immer alle Blicke auf sich gezogen haben, liegt eine neue Kraft und Ausdrucksstärke. Es ist, als ob alles, was sich in den letzten Monaten in mir angesammelt hat – das Leid, aber auch der Triumph und das Selbstvertrauen – sich wie ein schimmerndes Juwel in ihren Tiefen widerspiegelt. Selbst mein Haar, das früher einfach nur braun war, glänzt voller Gesundheit und Kraft. Meine Freude über meine Erscheinung durchströmt mich wie ein kleines Feuer, und so trete ich ohne Mantel hinaus in die kühle Nachtluft.
    Wie ich es erwartet habe, ist niemand im Hof. Hier komme ich oft her, wenn wir von der Society zu einer Gesellschaft geladen werden. Ich habe mich immer noch nicht an die schweren Parfüms gewöhnt, die einige der anderen, inbrünstigeren Zauberinnen und Hellseherinnen bevorzugen, und so atme ich tief ein. Mein Kopf klärt sich, als die frische Luft in meinen Körper dringt. Ich gehe den gepflasterten Weg entlang, der sich durch Elspeths Garten windet. Sie kümmert sich höchstpersönlich um die Pflanzen. Ich hatte noch nie ein Händchen für Gartenarbeit, aber ich erkenne einige der Kräuter und Büsche, mit denen mich Elspeth so eifrig vertraut machen will.
    »Haben Sie keine Angst, hier draußen im Dunkeln?« Die tiefe Stimme dringt aus den Schatten.
    Ich richte mich auf. Von dem Mann, dem die Stimme gehört, kann ich weder das Gesicht noch die restliche Gestalt erkennen. »Nein. Sie?«
    Er lacht leise, und es ist, als ob sich warmer Wein in meinen Körper ergießen würde. »Ganz und gar nicht. Manchmal glaube ich gar, dass ich mich vor der Helligkeit mehr ängstigen sollte.«
    Ich schüttele die rauschartige Wärme ab, die sich in meinen Adern niederzulassen droht, und breite die Arme aus. »Wenn das so ist, können Sie sich ruhig zeigen. Hier ist es ja nicht hell.«
    »Das stimmt.« Er tritt hervor in den schwachen Schein der Mondsichel. Das dunkle Haar glänzt, selbst bei dieser unzureichenden Beleuchtung. »Warum gehen Sie in den kalten, menschenleeren Garten, wo doch drin die fröhliche Gesellschaft ihrer Freunde auf Sie wartet?«
    Es ist ungewöhnlich, bei einer Zusammenkunft der Society ein unbekanntes Gesicht zu sehen. Misstrauisch verenge ich die Augen. »Was kümmert Sie das? Und was führt Sie zur Society?«
    Alle Mitglieder der Society hüten eifersüchtig ihre Geheimnisse. Für die Augen von jenen, die außerhalb dieser Mauern bleiben müssen, sind wir nur ein privater Club. Aber die Hexenjagden früherer Jahrhunderte wären nichts im Vergleich zu dem Aufschrei, der sich erheben würde, wenn unsere Existenz allgemein bekannt würde. Denn obwohl es in unserer aufgeklärten Gesellschaft viele gibt, die sich Rat und Hilfe suchend an einfache Spiritisten wenden, würde die Macht, die in unseren Reihen existiert, selbst die liberalsten Menschen erschrecken.
    Der Mann tritt näher. Ich kann die Farbe seiner Augen nicht erkennen, aber die Glut, mit der mich diese Augen betrachten, ist
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