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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten
Autoren: James Meek
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sie neben ihm in die Knie ging. »Und das ist Ajali. Ajali, Rose.«
    »Sehr erfreut«, sagte Ajali grinsend und beugte sich ein paar Zentimeter vor.
    Leo hatte hellbraune Haare und braune Augen wie Alex, und Rose meinte, er sehe ihm ähnlich, worauf Bec lachte und sagte: »Findest du?«
    Ajali war der Fahrer. Er setzte sich ans Steuer, Bec schnallte Leo in einen Kindersitz, und sie fuhren los. Daressalam war schmutzig und voller Risse und Schimmel überall, was Rose nicht überraschte, aber sie hatte kein so geschäftiges und zielstrebiges Treiben der Leute erwartet, die auf Mopeds herumdüsten und in ihre Telefone brabbelten. Überall wurden Dosengetränke und Süßigkeiten verkauft. Limetten und grüne Bananen und Früchte, deren Namen sie nicht kannte, lagen in bunten Haufen am Straßenrand.
    »Kein Kopftuch«, sagte Bec. Sie schaute sie an, und Rose war klar, dass sie über ihre nackten Arme nachdachte. »Was ist aus deiner Pilgerfahrt nach Mekka geworden?«
    »Ich habe kein Visum bekommen«, sagte Rose. »Es hieß, ich sei zu jung und ich müsse in Begleitung eines Ehemannes oder eines männlichen Verwandten reisen.«
    »Ich bin sicher, Alex wäre mit dir gefahren.«
    »Eines muslimischen männlichen Verwandten!«, sagte Rose, und bei der Vorstellung von Alex, wie er interessiert unter den Pilgern stand und auf der Dschamarat-Brücke seine Steinchen warf, krümmte sie sich vor Lachen. Leo lachte mit ihr und hüpfte auf und nieder.
    Auf dem Heimweg hielten sie an Becs Büro. Rose war enttäuscht. Es war ein normales Gebäude mit Büroräumen und Laboren, mit Leuten in Anzügen und weißen Kitteln, wie es auch in einer englischen Stadt hätte stehen können. Der einzige Unterschied war, dass so viele der Leute in Anzügen und weißen Kitteln schwarz waren. Rose wusste, dass Bec beruflich mit Malaria zu tun hatte. Sie hatte sich ihre Tante in Strohhüttendörfern im Wald vorgestellt, wo sie sterbenden Kindern mit geschwollenen Bäuchen und großen Augen half. Sie wurde einer Reihe von Menschen vorgestellt, die hinter Computern aufblickten und deren Namen und Tätigkeiten sie augenblicklich vergaß, und es war nicht viel anders, als wenn sie ihren Dad am Arbeitsplatz besuchte. Bec jedoch war den Tränen nahe vor Stolz, dass sie mitgewirkt hatte, etwas derart Langweiliges nach Tansania zu importieren, und Rose tat so, als wäre sie beeindruckt.
    Sie fuhren auf einem breiten Highway und bogen in ein Netz von Straßen ab, die von sahneweißen und rosa Mauern gesäumt waren. Hinter einer von ihnen lag Becs Haus. Mit seinem hohen Tor und den von Läden verschlossenen Fenstern, die über die Mauer lugten, wirkte es abweisend. Im Innern der Mauern machte es einen bescheideneren, freundlicheren Eindruck. Mitten auf dem Rasen stand ein alter Baum mit dickem schwarzem Stamm, ausladenden Ästen und prächtigen roten Blüten, die im Sonnenschein von innen zu leuchten schienen.
    Bec nahm Leo auf den Arm und steckte bei dem nun folgenden Gang durchs Haus suchend den Kopf in diverse Zimmer, wobei sie sich ein Lächeln zu verkneifen suchte, als freute sie sich auf etwas, das ihr gleichzeitig peinlich war. Sie fand, was sie suchte, in einem kleinen Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Es hatte Bücherregale an den Wänden und ein Fenster zum Garten. In dem Zimmer befanden sich ein kleiner alter Schreibtisch, ein ziemlich alter Laptop, dessen Buchstaben auf den Tasten halb abgewetzt waren, Papiere in unordentlichen Haufen und auf einer Couch, schlafend, voll bekleidet mit Schuhen und allem, Alex.
    »Schau mal, wer da ist«, sagte Bec. Alex schlug die Augen auf, sah die Frauen und schwang sich in die Höhe. Er stand auf und küsste Rose auf beide Wangen. Er war sonnengebräunt, hatte mehr Silber an den Schläfen als in Rose’ Erinnerung, und wie Bec strömte er eine tiefe Müdigkeit aus. Jemand steckte den Kopf zur Tür herein und fragte Bec leise etwas, und Bec stellte Rose die Frau als Zuri vor, die Haushälterin.
    »Wow, was ihr für viele Diener habt«, sagte Rose, als Zuri fort war. »Echt retro.«
    Bec und Alex sahen sich an. »Wenn wir noch länger hierbleiben, werden wir am Ende zu richtigen alten Expats«, sagte Bec.
    Alex verzog das Gesicht. »Dann nichts wie weg«, sagte er.
    »Alex hätte keine Zeit zum Schreiben gehabt, wenn wir nicht dieses Leben führen würden«, sagte Bec und wandte sich ihm zu. »Nicht wahr? Wir sind keine Exilanten.«
    Rose hatte den Eindruck, dass Alex in dem Moment Bec anblickte wie fasziniert von
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