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Liebe bringt die höchsten Zinsen

Liebe bringt die höchsten Zinsen

Titel: Liebe bringt die höchsten Zinsen
Autoren: Egon F. Freiheit
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sie in natürlichen Locken auf die Schultern fallen. Und auf dem Kopf trug sie einen Blütenkranz aus Mohn- und Kornblumen – passend zu ihrem Brautstrauß.
       „Wunderschön sehen Sie aus, die beiden", stellte die Gästeschar im Hotel bewundernd fest.
       Als die Sonne sich wohlmeinend über Sibenik erhob, traten die Zwillinge aus dem Hotel und auf die breite Auffahrt. Stefanies Herz schlug bis zum Hals und auch Kathi war so aufgeregt, wie ein kleines Mädchen vor dem ersten Rendezvous.
       Noch bevor sie die letzte Stufe hinabgetreten waren, brauste ein ohrenbetäubendes Konzert der Tamburizza-Kapellen auf. Mit ihren fröhlichen Klängen begleiteten sie Stefanie und Kathi. Das Hotelpersonal hatte sich erneut versammelt und Aufstellung bezogen. „So hat man früher den Herrschern gehuldigt", meinte Ivan Ademi lachend.
       Während die Kellnerinnen nach drinnen eilten, um duftenden Kaffee und frischgebackenen Kuchen für die Gäste zu holen, stimmten die Chöre der Fischer ein fröhliches Hochzeitslied an. Die beiden Bräute schritten das Spalier der Gratulanten ab. Die ersten Gäste stießen mit Schnaps oder Wein auf das Wohl der Bräute an.

       Elena Ademi, Stefanies Trauzeugin, holte ein rechteckiges Silbertablett mit einem verlockend roten Apfel. In der Frucht steckte eine goldene Münze. Ihr Vater Ivan, der als Kathis Trauzeuge auserkoren war, begleitete sie, um den Schatz auf dem Tablett zu bewachen.
       „Das ist kein Apfel, der an das Paradies und den ersten Sündenfall erinnern soll", wehrte sie ab; „der Apfel gehört zu einem alten Brauch bei uns in Kroatien: Die Brauteltern sollen einen Golddukaten in den Apfel stecken und möglichst viele der Eingeladenen sollen sich ihnen anschließen."
       Tereza fügte hinzu: „Das symbolisiert, dass die Braut der Familie sehr viel wert ist und dass die Brauteltern vermögende Leute sind. Wer keine Golddukaten in der Tasche hat, legt ein Kuvert mit einer Glückwunschkarte und ein paar Geldscheinen auf das Tablett. Das ist ein wichtiger Zuschuss für die Aussteuer."
       Das Tablett war schon nach einigen Metern mit weißen Kuverts bedeckt, dazwischen lugten Geldscheine hervor.

    Thomas und Daniel warteten auf der Parkseite des Hotels auf ihre Gäste, da das „Crown" ihr eigenes Wohnhaus ersetzte, von dem der Bräutigam üblicherweise startet. Auch ihnen spielten Musiker mit Ziehharmonika auf; Kellnerinnen reichten Parmaschinken, Käse – und Schnäpse. „Nichts für mich, so früh am Morgen", sagte Thomas und entschied sich für einen Kaffee. „Vor allem an einem derart wichtigen Morgen", pflichtete Daniel ihm bei. Die beiden Männer trugen schwarze Anzüge. Unverheiratete junge Frauen hatten ihnen eine weiße Hochzeitsnadel mit Rosmarinblüten und einem bunten Bändchen ans Revers gesteckt. In bester Laune, die aber auch ein wenig ihr Lampenfieber überspielen sollte, näherten sie sich dem Vorplatz, um ihre Bräute abzuholen.
       Aus dem Park schallten plötzlich Schüsse. Erschreckt hielt Thomas inne. Er musste an den versuchten Anschlag auf Stefanie am Vortag denken. Daniel legte seinen Arm um Thomas' Schulter: „Alles in Ordnung. In manchen Gegenden unseres Landes wird immer noch gern geschossen."
       „Ist das denn erlaubt?"
       „Erlaubt nicht, aber kein Polizist will den Salut hören. Und je lauter, desto herzlicher ist diese Art von Glückwunsch..."

       Spätestens jetzt traten die Zwillinge aus dem Schatten ihrer Vergangenheit und aller belastenden Erlebnisse. „Der gestrige Abend ist auf einmal so weit weg", gestand Stefanie ihrer Schwester; „als hätte es ihn nie gegeben."
       Kathi sah das Attentat aus einer anderen Perspektive: „Eigentlich wollte ich ihm gar nicht den Arm brechen. Aber er war von meinem ersten Schlag nicht zu Boden gegangen und in der Hand hatte er noch die Pistole."

       Als hätte ein unsichtbarer Regisseur den Ablauf gefügt, fuhr mit der letzten Note vom Blatt der Chöre die weiße Hochzeitskutsche vor, die die beiden Brautpaare zur Kathedrale bringen sollte. „Auf geht's, jetzt gibt es kein Zurück", forderte Thomas; aber es gab eh niemanden, der an einen Rückzug auch nur gedacht hätte.
       Die beiden Paare nahmen in der festlich geschmückten Kutsche Platz, die von zwei Schimmeln gezogen und von den Reitern aus Sibenik eskortiert wurde. Hunderte von Einwohnern und Touristen säumten die Straße und riefen den vier Hochzeitern Wünsche für ein glückliches Eheleben
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