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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie ein offenes Feuer angeschürt. Bodmar ließ sie trommeln, aber dann packte er doch ihre Fäuste und drückte sie auf die Polster.
    »Warum benehmen Sie sich so, Jelena?« fragte er leise. »Was habe ich Ihnen getan?«
    »Sie sind arrogant, überheblich, widerlich …«
    »Das alles stimmt ja nicht.« Er schüttelte den Kopf, aber hielt weiter ihre zuckenden Fäuste fest. »Ich bin ein verdammter Narr, Jelena. Ich bin in Ihr Land gekommen, um mit den Augen der neuen Generation das ›deutsche Schicksal Osten‹ zu betrachten. Die Hurra-Stimmung unserer Väter hasse ich. Und dann sehe ich ein Ehrenmal wie dieses hier, und plötzlich bin ich mittendurchgerissen. Wie würden wohl Ihre Leute reagieren, wenn sie in Deutschland auf einem Friedhof Gräber russischer Soldaten fänden, die in deutscher Gefangenschaft gestorben sind.«
    »Sie würden strammstehen und sie mit allen militärischen Ehren grüßen. Oder sie würden sich bekreuzigen … auch das ist möglich.«
    »Und was soll ich in Rußland tun, Jelena?«
    »Weiterfahren!« Sie riß die Fäuste aus seinen Händen und preßte sie in den Schoß. Sieh ihn nicht an, befahl sie sich. Sieh ihn nicht an! Seine Augen sind groß und traurig. In die Arme müßte man ihn nehmen und trösten. »Auch Ihr Vater hat unser Land überfallen … und mein Vater starb in deutscher Gefangenschaft … an einer Blutvergiftung … in Homberg-Hochheide … Oh, ich habe den Namen behalten, ich habe ihn auswendig gelernt, ich habe ihn so lange vor mich hingeschrien, bis er in mein Gehirn gebrannt war. Kohlen holte mein Vater aus dem Berg … jeden Tag zehn Stunden lang in 450 Meter Tiefe … bei Kohlsuppe und Schlägen … Seine Hände platzten auf, an den Fingern bildeten sich Hornstreifen, sie wurden klobig und dick … und dann übersäten Furunkel seinen Körper, der Eiter drang ins Blut, und er starb. Wissen Sie, was Väterchen war?«
    »Sagen Sie es, Jelena.«
    »Pianist. Nikolai Jefimowitsch Dobronin. Er gab Konzerte in New York und Paris, in Berlin und Tokio, in der ganzen Welt. Und mußte in einem Bergwerk sterben …«
    »Wir wollen uns die Grauen des Krieges nicht gegenseitig aufrechnen, Jelena«, sagte Bodmar leise. »Wozu das alles? Die Welt unserer Väter bestand aus Blut und Feuer … verdammt, wir sollten alle daraus lernen.«
    Er griff nach ihrem Kopf und drehte ihn zu sich herum. Da sah er, daß sie weinte. Lautlos rannen aus ihren großen braunen Augen die Tränen über das Gesicht.
    »Jelena –«, sagte er heiser. Eine Welle von Zärtlichkeit überflutete ihn. Er umfaßte ihre Schultern und zog sie an sich heran. Sie lag in seinen Armen ohne Gegenwehr, nur ihre Augen bekamen einen wilden Glanz.
    »Tun Sie es nicht …«, sagte sie wie erstickend. »Bitte … lassen Sie das –«
    Dann schloß sie die Augen, und als er die zuckenden, tränenfeuchten Lippen küßte, warf sie die Arme um seinen Nacken und klammerte sich an ihn. Ebenso plötzlich aber riß sie sich mit einem Ruck von ihm los, stieß ihn mit beiden Händen fort und holte dann weit aus. Klatschend schlug ihre Rechte in Bodmars Gesicht.
    »Fahren Sie weiter!« schrie sie und ihr Gesicht war so verzerrt, daß kaum noch eine Ähnlichkeit mit der bisherigen Jelena Antonowna vorhanden war. Ein wahres Teufelchen war sie jetzt, eine wilde Katze mit gespreizten Krallen. »Unterlassen Sie das!« schrie sie weiter. »Ich zerkratze Ihnen die arrogante Visage, wenn Sie das noch einmal wagen! Anzeigen werde ich Sie!«
    Ihr Atem fuhr Bodmar heiß ins Gesicht, er sah, wie sie mit den Beinen auf den Wagenboden trampelte. Die Kostümjacke war aufgesprungen, unter der blaßblauen Bluse bebten die spitzen Brüste.
    »Fahren Sie endlich weiter!« schrie sie erneut. »Wenn ich Sie in Moskau abgeliefert habe, will ich Sie nicht mehr sehen –«
    Verwirrt ließ Bodmar den Motor wieder an.
    Sie hat mich eben wiedergeküßt, dachte er. Sie hat die Lippen geöffnet, ich spürte ihre kleine Zunge, die Weichheit ihres Mundes streichelte mich, und ihre Hände glitten über meinen Nacken.
    Jelena Antonowna … wer soll das verstehen?
    »Ich möchte zuerst zur Deutschen Botschaft«, sagte er heiser.
    »Bitte.«
    Bodmar griff in seine Jackentasche und holte eine Schachtel Zigaretten heraus. Jelena nahm die Packung, betrachtete sie kurz und warf sie dann aus dem Fenster.
    »Ich wünschte, ich könnte das auch mit Ihnen tun«, sagte sie dumpf. »Wir sind viel zu feig … viel zu feig –«
    *
    Der Presseattaché der Deutschen Botschaft
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