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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nennt.
    »Fahren wir?« fragte Jelena böse. Bodmar nickte, schwang sich hinter das Steuer und schloß seine Tür. Er steckte den Schlüssel in das Zündschloß und wandte sich dann zur Seite.
    »Ich nehme an, sowjetische Autos reagieren wie andere Autos. Wenn ich den Schlüssel drehe, brummt der Motor auf, nicht wahr?«
    Jelena beugte sich vor, als sei sie kurzsichtig. Bodmar bemerkte unter der Bluse ihre kleinen spitzen Brüste.
    »Ich werde die Zentrale bitten, mich abzulösen«, fauchte sie. »Ich kann mit einem Menschen wie Sie unmöglich wochenlang Zusammensein. Oder wollen Sie, daß ich Sie eines Tages umbringe?«
    »Das Ende meiner Reise habe ich mir eigentlich anders vorgestellt. Den Anfang allerdings auch …«
    Jelena fuhr auf dem Sitz herum. Ihre schönen, vollen Lippen zitterten.
    »Was gefällt Ihnen nicht? Die Sowjetunion empfängt Sie wie einen Ehrengast … und Sie benehmen sich wie ein Revanchist!«
    »Genau das ist es, was mir mißfällt, Jelena Antonowna … diese Katalogisierung des Menschen. Kommunist – Revanchist … Arbeiter – Kapitalist. Das ist zu einfach, Gosposha.« Bodmar ließ den Motor an, löste die Handbremse und gab vorsichtig Gas, nachdem er sich überzeugt hatte, wo der erste Gang lag. Der schwarze Wagen rollte an, er lief leise, ein wenig hart in den Federn, aber war leicht zu lenken trotz des Fehlens der Servohilfe. Ein massives Auto mit dem dicken Blech eines Traktors. Bodmar, ein Autonarr, der aus Leidenschaft für das Fahren auch Autos testete und vielbeachtete Berichte darüber schrieb, fühlte sich wohl in dem Moskwitsch-Wagen. »Ich habe nur ehrlich ausgesprochen, was ich bisher gesehen habe. Ich nehme an, auch bei Ihnen ist Wahrheit oberstes Gebot.«
    »Fahren Sie den Taxen nach.« Jelena wandte sich ab. Innerlich bebte sie vor Zorn. Aber es war ein Zorn gegen sich selbst. Ich könnte ihm stundenlang zuhören, dachte sie und verfluchte gleichzeitig diese Gedanken. Es ist eine ganz andere Sprache, die er spricht, unbefangen, unbekümmert, frisch wie der Wind des Meeres, ungebrochen wie ein Wolkenzug. Wirklich, es wird das beste sein, den Genossen Dawidow zu bitten, mich abzulösen. Wohin soll das führen, wenn ich beginne, ihm mit dem Herzen zuzuhören …
    Sie fuhren über eine breite Waldstraße nach Moskau. Dörfer lagen rechts und links der Chaussee, flache Häuser, umgeben von Gärten, in denen die Obstbäume blühten. Ab und zu ein alter Ziehbrunnen, dessen Hebelmast steil in den blauen Frühlingshimmel stach. In der Ferne die grüne Wand der Wälder.
    Bodmar fuhr schnell, überholte die Autobusse und die karierten Taxen und sah, wie einige Chauffeure an den Mützen rissen und die Fäuste schüttelten.
    »Darf man hier nicht überholen?« fragte er. »Wenn ich etwas falsch mache, müssen Sie mir das sagen, Jelena.«
    »Fahren Sie weiter!«
    Die Flughafenstraße mündete in eine Art Autobahn. Hier wurde der Verkehr dichter, fast westeuropäisch. Autoschlangen schoben sich nach Moskau hinein. Bodmar fädelte sich ein und fuhr etwas langsamer, als er von weitem ein gewaltiges Denkmal sah: ein Monument aus Reliefs, klobigen Steinen und heldenhaften Figuren.
    »Was ist denn das?« fragte er.
    »Das Mahnmal zur Erinnerung an den Überfall der Deutschen.« Jelena tat es gut, so etwas zu sagen. »Bis hierher kamen sie 1941 … dann besiegte sie unsere Rote Armee!«
    Bodmar fuhr rechts 'ran und hielt auf einem Parkstreifen. Stumm blickte er hinüber zu dem Ehrenmal. Dann sah er die Autobahn hinunter – in der Ferne begannen die Vorstädte Moskaus, ahnte man das Häusermeer der 7,5 -Millionen-Stadt.
    »Verdammt nah«, sagte er.
    »Aber wir haben gesiegt!«
    »Wenn man bedenkt, daß hier unsere Väter lagen … überrascht vom eisigen Sturm eines plötzlichen Winters, ohne Mäntel, ohne Handschuhe, ohne warme Wäsche, ohne Fellstiefel, daß sie hier erfroren und krepierten, Moskau vor Augen –«
    »Das macht Sie mächtig stolz, was?«
    »Nein, das macht mich traurig, Jelena. So etwas darf sich nie mehr wiederholen.« Plötzlich sprach Bodmar russisch, und Jelena fuhr herum, als habe man sie ins Gesäß gestochen.
    »Sie können Russisch?« schrie sie und ballte die Fäuste.
    »Ja. Ich habe zwei Jahre einen Kursus besucht.«
    »Und mich lassen Sie die ganze Zeit deutsch sprechen?«
    »Ich dachte, es macht Ihnen Spaß, Jelena –«
    »Oh, ich hasse Sie! Ich hasse Sie!«
    Sie trommelte mit den Fäusten auf Bodmars Brust und war außer sich vor Wut. Ihr Kopf glühte, als habe
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