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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gesicht des Deutschen, denn Spott läßt sich nicht verbergen, am wenigsten in den Augen. Aber diese Augen hier waren blau wie ein See unter einem Sommerhimmel, klar und leuchtend. Das verwirrte sie noch mehr, und sie senkte brüsk den Kopf.
    »Kommen Sie mit, bitte«, sagte sie in einem fast reinen Deutsch. »Ich bin von ›Intourist‹ beauftragt, Sie zu betreuen. Bevor wir alle Formalitäten erledigen und in die Stadt fahren zu Ihrem Hotel wäre noch einiges zu besprechen. Bitte –«
    Sie betraten das Zimmer des Zolleiters, und Awdeij Iwanowitsch verließ den Raum. Er legte dabei grüßend die Hand an die Mütze. Bodmar nickte ihm freundlich zu.
    »Nette Menschen alle«, sagte er zu Jelena.
    »Dachten Sie, Sie kommen in ein Land von Neandertalern?«
    »Es geht schon los.« Bodmar setzte sich auf die Kante des Schreibtischs und warf seinen Handkoffer auf die Platte. »Wir sind junge Menschen, Natascha –«
    »Ich heiße Jelena Antonowna Dobronina …«
    »Welch ein Klang! Wenn das Tschaikowskij gehört hätte … er hätte ein Lied daraus gemacht. Jelena Antonowna –«
    »Lassen Sie das!« Sie drehte ihm den Rücken zu und ging zum Fenster, das hinausführte auf den Vorplatz des Gebäudes. Ein Aufmarsch der Taxen vollzog sich gerade. Die Fluggäste von vier Maschinen drängten nach Moskau. »Merken Sie sich eins, Gospodin Bodmar: Ihre westliche Art, mit Frauen zu reden, ist hier unerwünscht! Sie haben Ihre Aufgabe, deretwegen Sie nach Rußland gekommen sind … ich habe meine Aufgabe: den Auftrag, Ihnen Informationen zu geben, noch bevor Sie endgültig unsere Republik betreten. Sie wissen, daß man mit Ihnen eine großzügige Ausnahme gemacht hat.«
    »Ja. Hat man Sie geschickt, damit ich mich dafür bedanke? Eine blendende Idee.«
    »Ihre Reise ist bestens organisiert.«
    »Genau das wollte ich nicht. Ich habe die Zusage, mich völlig frei in ganz Rußland zu bewegen.«
    »Wir halten unser Versprechen.« Jelena Antonowna drehte sich langsam um. »Sie können hinfahren, wohin Sie wollen … ich werde Sie begleiten.«
    »Sie?«
    »Ja. Stört Sie das?«
    »Aber nein! Ich möchte dem Väterchen vom Presseamt ein Küßchen auf seinen Bart drücken.«
    Jelena zog das Kinn an. Ihr schöner Kopf mit dem kurzen schwarzen Haar und den Kulleraugen glühte vor Empörung. Welch ein Affe, dachte sie. Überheblich und dumm. Dreist und widerlich. Gibt es in Deutschland keine anderen Journalisten?
    »Wir werden es schwer miteinander haben«, sagte sie eisig und steckte die Hände in die Täschchen ihres Kostüms. »Kommen Sie mit zur Zollabfertigung und zur Paßkontrolle. Ich kann es ja nicht ändern.«
    Eberhard Bodmar nahm seinen Koffer vom Tisch und rutschte auf den Boden. »Würden Sie es ändern?« fragte er.
    »Ja. Mit der nächsten Maschine schickte ich Sie zurück in den dekadenten Westen.«
    Als sie hinübergingen zu einem Tisch, wo das Gepäck Bodmars abgesondert wartete, fiel sein Blick auf ein Transparent, das über dem Ausgang gespannt war:
    MOSKAU BEGRÜSST SIE
    Bodmar blieb stehen, tippte Jelena auf die Schulter und zeigte auf die Schrift. Da kniff sie die Lippen zusammen, blitzte ihn aus ihren dunklen Augen an und marschierte schweigend vor ihm her zur Zollkontrolle.
    Der Glockenrock wippte um ihre schlanken Beinchen, er war kurz und lustig; schön war sie, die Jelena Antonowna, und Bodmar hatte das Gefühl, daß Rußland begann, äußerst interessant zu werden.
    *
    Vor dem Flughafengebäude wartete die lange Reihe der Taxen. Limousinen, an den Seiten mit einem Schachbrettmuster bemalt. Wie ein Aufmarsch von Harlekinen sah es aus, fröhlich, ein Hauch von Selbstverspottung. Zwischen breiten Betoninseln warteten die Pendelbusse … Scheremetjewo-Moskwa … Flughafen-Roter Platz.
    An den Taxen standen vorwiegend die westlichen Reisenden Schlange; vor den Bussen drängten sich alle Völkerschaften dieses riesigen Reiches. Kirgisen und Ewenken, Weißrussen mit blonden Haaren und kleine, krummbeinige Tataren. Schöne, schlanke Grusinier mit Lippenbärtchen wie elegante Südfranzosen und gelbhäutige, wie zerknittert wirkende Mongolen. Schwere, bärenhafte Sibirier, selbst in der Frühlingssonne noch mit dicken Pelzmützen und der gesteppten Wattejacke, der Fofaika, und wieselschnelle Kosaken, die sich auf dem Boden nicht recht wohl fühlten und sich nach ihren kleinen Pferdchen sehnten. Bestickte runde Filzkäppchen aus Ulan Bator, verblichene Kopftücher aus der Ukraine, Schirmmützen und Karakulfeze … ein Gewirr
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