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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt
Autoren: Paul Walz
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verabscheute den Kollegen und fuchtelte jetzt aufgebracht mit der neuen Rassel durch die Luft.
    »Ich denke, die anderen sehen das nicht so.«
    Claudia machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bis Weihnachten haben die den vergessen. Marx wird ja bald pensioniert. Viel wichtiger war deine Reaktion: Nun wissen alle, dass sie mit dir nicht umspringen können, wie sie wollen.«
    Lichthaus dachte nach.
    »Ach, Hannes, jetzt schau doch nicht so skeptisch.« Sie streichelte ihm über den Kopf. »Einen Monat noch.«
    Er lächelte. »Übrigens, Marx’ Nachfolger wird eine Frau. Strafversetzt aus Mainz.«
    Er verblüffte Claudia mit Sophie Erdmanns pikanter Vorgeschichte, bevor er unter die Dusche ging. Gerade als er sich ein frisches T-Shirt überzog, wachte die Kleine auf. Er nahm sie vorsichtig aus ihrem Körbchen und brachte sie ins Atelier. Seit Henriette da war, nutzte Claudia intensiv die Zeiten, in denen das Baby schlief. Sie hatte seit Beginn ihrer Schwangerschaft mit Arbeiten zu Entstehung, Geburt und Leben sowie Glauben und Religion begonnen. Jetzt malte sie an einem Bild zur Kreuzigung. Die Perspektive des Betrachters war so gewählt, als ob dieser schräg unter dem Kreuz auf dem Boden säße. Sie arbeitete am Gesicht des toten Jesus, als er ihr das schreiende Baby brachte.
    »Vergiss den Tod, das Leben hat Hunger«, stichelte er. Claudia zog eine Grimasse und wusch sich dann in einem großen Becken zwischen leeren Farbtöpfen und Pinseln die Hände. Gemeinsam setzten sie sich auf das alte Ledersofa am Fenster und schauten schweigend zu, wie die Kleine aus Claudias Brust trank. Lichthaus unterbrach die Stille.
    »Wie war es heute Mittag?«
    »Beide Galerien wollen die Ausstellung machen. Am liebsten wäre ich bei Möbius, doch seine Provisionsvorstellungen sind mir eigentlich zu hoch, nur hat er eine große Luxemburger Klientel. Die zahlen gut. Mal abwarten, ob ich da noch nachverhandeln kann.«
    »Immer zu, das Haus will bezahlt werden.« Er lächelte. Die Anwesenheit seiner Familie löste die Verspannungen des Tages, und er freute sich auf einen ruhigen Abend.
    *
    Lichthaus war am folgenden Morgen erst um acht Uhr dreißig im Präsidium. Es würde wieder ein heißer Tag werden. Als er oben ankam, fing ihn Marie Guillaume, die Sekretärin des Kommissariats, unauffällig ab.
    »Sie werden bereits erwartet.« Sie schaute vielsagend und deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Büro. Unmittelbar davor, auf den Besucherstühlen, saß eine Frau.
    »Sophie Erdmann«, murmelte sie.
    Lichthaus war verblüfft. »Heute schon? Wo ist Müller?«
    »Nicht da. Keine Ahnung.« Sie zuckte mit den Schultern.
    Er ging hinüber. Sophie Erdmann war eine große, gutaussehende Frau mit grauen Augen. Ihre mittelblonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug jetzt einen dunklen Hosenanzug, doch die Art und Weise, wie sie sich darin bewegte, zeigte Lichthaus, dass sie normalerweise legerere Kleidung gewöhnt war.
    Er schüttelte ihr die Hand. »Frau Erdmann, herzlich willkommen. Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie schon heute hier sind, wäre ich eher da gewesen. Kommen Sie doch bitte herein.«
    Er öffnete das Büro und ließ sie eintreten. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    »Ein Wasser vielleicht.« Sie hatte eine warme Stimme.
    Lichthaus öffnete den Schrank, entnahm ihm zwei Gläser und eine Flasche Mineralwasser, schenkte ein und nahm ebenfalls Platz.
    »Waren Sie schon bei Herrn Müller?«
    »Der ist heute Morgen nicht da.«
    Lichthaus schüttelte den Kopf. »Toller Empfang. Wir schreien seit Monaten nach Ersatz, und wenn er dann kommt, ist keiner da.«
    »Die Versetzung hat bereits zum Fünfzehnten stattgefunden.« Sie lächelte bitter und nahm einen Schluck Wasser. »Man konnte es anscheinend gar nicht abwarten, mich loszuwerden.«
    »Lassen wir das Thema. Wir wissen Bescheid, und es ist uns weitgehend egal. Ich gebe zu, dass ich nicht gerade begeistert war, eine Kollegin mit Ihrer Vorgeschichte ins Team zu bekommen, doch was in Mainz gelaufen ist, war gestern und ist Ihre Privatsache.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich erwarte nur, dass Sie hier Ihre Arbeit machen.«
    Sie schwieg einen Moment. »Wie stehen die Kollegen zu mir?«
    »Niemand will Sie vorverurteilen, aber sie sind offen gesagt kritisch. Wir müssen ein Team bilden und das steht im Vordergrund.« Er schaute auf die Uhr. Es war kurz vor neun. »Wir haben gleich
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