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Licht der Nacht

Licht der Nacht

Titel: Licht der Nacht
Autoren: Uwe Post
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ist schon nach Mitternacht, und ich will dir
deine Frage exakt beantworten. Wir haben noch zwei normale
Sonnenaufgänge vor uns. Der dritte – oder, besser gesagt, in der
Nacht vor dem dritten – geht eine neue Sonne auf.«
    »Das … «, stotterte Wanda, »ist doch wunderbar! …
Oder?«
    »Vor etwa 26000 Jahren haben außerirdische Lebewesen ein
riskantes Experiment mit dem supermassiven Schwarzen Loch im
Zentrum der Milchstraße veranstaltet.«
    »Saggitarius A«, lallte Sundown und kicherte.
    »So nennt man es«, seufzte Schwarz. »Dabei wurde das Schwarze
Loch zu etwas unerklärlichem, das heller leuchtet als alles,
was … «
    »Rektaszension 17 Stunden 45 Minuten 40 Sekunden, Deklination
ziemlich genau 29 Grad«, ratterte Sundown.
    Schwarz und Wanda starrten ihn an.
    »Das sind die Koordinaten des galaktischen Zentrums«, erklärte
der bleiche Junge und klimperte mit seinen langen Wimpern.
    »Mag sein«, seufzte Schwarz. »Übermorgen, kurz nachdem die Sonne
untergegangen ist, tritt das Sternbild Schütze über den Horizont.
Dann kommt das Licht des neuen Sterns zum ersten Mal bei uns an,
nach einer Reise von 26000 Lichtjahren.«
    Sundowns Handy klingelte, und er ging ran. »Ja? …
Nein … «
    »Das Licht der Nacht«, hauchte Wanda und hatte plötzlich Tränen
in den Augen.
    Schwarz versagte die Stimme. Dann nahm er Wanda in den Arm.
Seine Lippen waren neben ihrem Ohr, als er sagte: »Die neue Sonne
ist zehntausendmal heller als unsere. Alles Leben wird …
wird … «
    »Sag es nicht«, bat Wanda, und Schwarz schwieg.
    »Telefon«, sagte Sundown. »Ne Talkshow. Sie wollen dich,
ehm … interviewen.«
     
     
    Die Moderatorin so nervös, dass sie Schwarz dreimal fragte, was
er trinken wollte. Ihre Augen huschten hin und her, ohne einen der
unzähligen Gegenstände oder Mitarbeiter im Studio wirklich zu
fixieren. Sie hieß Irena, trug ihr blondes Haar hochgesteckt und
eine leuchtend rote Bluse. Ihr Lächeln war unter dicken
Farbschichten kaum als solches zu erkennen.
    »Wir sind drauf in fünf, vier, drei«, zischte jemand und
schaffte es, das wie eine schwule Einladung klingen zu lassen.
    »Die Sonnenwende liegt kaum mehr als einen Tag zurück«, las
Irena vom Teleprompter ab. »Die ganze Welt fragt sich: Was ist
geschehen? War es eine Zusammenkunft von Teufelsbeschwörern, sind
wirklich amerikanische Bomber von einem meteorologischen Phänomen
verschluckt worden, oder leiden tausende Menschen unter einer
Massenhalluzination? Im Studio ist Dan Schwarz, Ikone der
sogenannten Schattengemeinde, um Licht ins Dunkel zu bringen. Guten
Abend.«
    »Guten Abend, Irena«, sagte Schwarz und lächelte.
    »Wussten Sie über den Angriff Bescheid?«
    »Ja«, bestätigte Schwarz. Er beugte sich ein Stück vor. »Unser
Netzwerk hat gut funktionierende Kontakte, unter anderem in die
USA.«
    »Welcher Art war die Vorsorge, die Sie getroffen haben?«
    »Keine«, zuckte Schwarz mit den Schultern. »Unsere Dämonen sind
unser Schutz.«
    »Wollen Sie wirklich behaupten, dass geisterhafte Erscheinungen
angreifende Bomber aufhalten können?«
    »Sie haben es getan.«
    »Die Dämonen tun also, was Sie ihnen befehlen?« Unfreundliche
Schärfe lag in Irenas Stimme.
    Schwarz schüttelte den Kopf. »Sie beschützen uns aus freien
Stücken.«
    »Ohne Gegenleistung zu verlangen?«
    Jetzt gönnte Schwarz sich ein Lächeln. »Die Dämonen sind
schlechte Kapitalisten«, erklärte er. »Wer an die Existenz der
Wesen glaubt, dem wird ihr Schutz zuteil.«
    »Was für ein Glauben ist das, der in einem derartigen
Widerspruch zu den Naturwissenschaften steht?«
    »Vor einigen Jahrzehnten hat das Fernsehen coole, bunte Shows
aus allem gemacht, was im Widerspruch zu den Naturwissenschaften
stand«, versetzte Schwarz und machte eine umfassende Geste. »Dabei
handelte es sich hauptsächlich um billige Tricks und Verarschen
leichtgläubiger Zuschauer. Mit den Dämonen ist es anders herum. Sie
sind da, weil wir an sie glauben. Nicht umgekehrt. Das ist in der
Tat eine völlig neue Erfahrung.«
    »Was ist, wenn die Dämonen plötzlich zu einer Bedrohung
werden?«
    Schwarz verzog das Gesicht. »Was ist, wenn die
Zukunft
plötzlich zu einer Bedrohung wird?«
    Irena setzte ein spöttisches Gesicht auf. »Wollen Sie etwa einen
Weltuntergang prophezeihen?«
    »Um mich der Lächerlichkeit preiszugeben?« Schwarz schüttelte
den Kopf. »Ich sage Ihnen was: Die Dämonen würden uns sogar vor dem
Weltuntergang schützen. Und da man nie weiß, wann
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