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Licht der Nacht

Licht der Nacht

Titel: Licht der Nacht
Autoren: Uwe Post
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Bewegung
der Schattengemeinde verboten und als mittelalterlichen Satanismus
gebrandmarkt. Wer sich dort zum schwarzen Glauben bekannte, wurde
isoliert und wie ein Aussätziger behandelt. Oder er floh nach
Europa – wie June.
     
     
    »Außerdem«, sagte Wanda, »ist sie eine Schwarze.«
    Schwarz warf ihr einen unfreundlichen Blick zu. »Warum ist dir
das eine Bemerkung wert?«
    Wanda wurde scheinbar drei Zentimeter kleiner und wagte nichts
zu entgegnen. Ihr Blick eilte über die mit Dämonen-Skizzen
verzierten Wände, schwarz auf rot, grinsende Fratzen, die man nur
nach dem Weg fragen würde, wenn man sich in einer imaginären
Vorhölle verlaufen hätte.
    »Nun gut«, sagte Schwarz laut und sah einen nach dem anderen an,
»ihr sagt also, sie will dafür sühnen, dass sie Zeit ihres Lebens
Christin war.«
    Sundown, ein Junge mit fast weißem Gesicht, nickte: »Sie will
sich reinigen.«
    »Das Ritual der Reinigung«, widersprach Wanda, »hat sie bereits
vollzogen.«
    »Das sagtest du bereits«, wies Schwarz sie zurecht. Dann erhob
er sich aus seinem Sessel. »Und auch, dass sie mir einen Monat
ihres Lebens geben will.« Er schüttelte den Kopf. »Was reden wir
noch. Bringt sie herein.«
    Wanda und Sundown eilten aus dem Empfangszimmer. Schwarz fragte
sich währenddessen, ob er Lust dazu hatte, einen Monat lang eine
konvertierte christliche Fundamentalistin am Hals zu haben.
Andererseits hatte sich diese Geschichte bereits in der
Schattengemeinde herumgesprochen – nichts übertraf Internet-Foren
in Sachen Aktualität – und es würde seltsam aussehen, wenn der
wichtigste spirituelle Mentor das Ansinnen der Amerikanerin
ablehnen würde.
    Als June wenige Sekunden später vor ihm stand, nahm Schwarz sich
vor, sie innerhalb von 48 Stunden gevögelt zu haben.
     
     
    Auf dem Dachfirst saßen zwei Dämonen und starrten hinab in die
nächtlich erleuchtete Groethus-Straße. Der eine sah aus wie ein
dunkelroter Hai mit vier Armen, der andere erinnerte an eine
Gottesanbeterin; die Cola-Leuchtreklame vom Haus gegenüber schien
ein wenig durch ihn hindurch.
    Ihre Schützlinge befanden sich unmittelbar darunter in der
Dachwohnung und hatten Oralsex. Daher versäumten sie die
Sondersendung im Fernsehen, in der Ausschnitte einer Ansprache des
greisen amerikanischen Präsidenten über den Schirm flimmerten. Er
sprach von der »Quelle des Bösen«, und dass sie im Namen Gottes
ausgelöscht werden müsse, und er meinte damit Mitteleuropa.
    Minuten später brach eine Reihe von Internet-Servern zusammen,
die Diskussionsforen und Mitschnitte der Sendung anboten.
    Schwarz befand sich im Serverraum und sah zu, wie Gucki
zusätzliche Kapazitäten schaltete.
    »Zwei Extra-Leitungen hatte ich schon vorsorglich gelegt«, sagte
Guckis Stimme hinter Serverschrank III. »Hat nicht gereicht,
lichtdernacht.org ist down«, stellte er fest. Als er zurück zum
Schreibtisch kam, massierte er sich die Schläfe. Genau dahinter
befand sich sein Tumor.
    »Köpfschmerz?«, fragte June, die davon nichts wusste.
    Schwarz warf ihr einen düsteren Blick zu. Acht Tage hing sie
jetzt in seiner Nähe herum, aber ins Bett hatte er sie noch nicht
gekriegt.
    »Nur Henri, mein Tumor«, gab Gucki trocken zurück.
    June machte ein verdattertes Gesicht. Sie fragte sich offenbar,
ob er sie verarschte, sagte aber kein Wort.
    Schwarz griff nach einer Flasche ZischZitro, die auf einem
Stapel DVD-Hüllen stand. »Er meint es ernst, oder?«
    »Der Ami? Natürlich. Genauso ernst wie mit Irak, Iran und
Nordkorea. Bisher waren sie immer konsequent.« Gucki holte eine
Schachtel Ibuprofen aus seiner Hemdtasche und warf drei Tabletten
ein. Er nahm Schwarz die Flasche ab und spülte nach. »Yes, Lady«,
sagte er zu June und wischte sich die feuchten Lippen ab, »eure GIs
werden tonnenweise Bomben auf uns schmeißen, einmarschieren und
eine Marionettenregierung installieren. Dann: Bürgerkrieg, bis
keiner mehr weiß, wer die guten sind, wer die bösen und wo man eine
Tiefkühlpizza kaufen kann.« Er massierte sich die Schläfe, dann
rülpste er und fügte hinzu: »Henri stellt scharfsinnig fest, dass
schon jetzt zwei dieser drei Fragen nicht zu beantworten sind.«
    June schüttelte den Kopf. »Die Dämonen wirken auch nickt
wirklick freundlik.«
    »Sie haben aber keinen Amerikaner je bedroht«, versetzte
Schwarz, »sie beschützen nur jene, die an sie glauben.«
    »Genau wie Gott, oder, Henri?«, kicherte Gucki und fasste sich
an die Schläfe.
    »Gott beschützt jemanden? Ist mir
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