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Licht der Nacht

Licht der Nacht

Titel: Licht der Nacht
Autoren: Uwe Post
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stopfte.
    In diesem Moment war Schwarz klar: Sie war eine Betrügerin. Dass
sie gerade jetzt mit ihm geschlafen hatte, machte sie verdächtig.
Sie versuchte damit, ihn davon abzulenken, über Guckis Tod
nachzudenken.
    Sie musste damit zu tun haben. Wenn sie eine Spionin war, dann
hatte sie nur zum Schein das Christentum hinter sich gelassen.
Vielleicht wusste sie, wie man Dämonen bannen konnte. Guckis
schwarzer Beschützergeist hätte den Mord verhindert, zumindest
hätte er es versucht. Aber er war spurlos verschwunden.
     
     
    Am Abend vor dem Festival streifte Schwarz um Guckis
Arbeitsplatz herum. Schließlich setzte er sich an die Tastatur und
gab sein Masterpasswort ein. Einige Mausklicks später hatte er
Zugriff auf Guckis Daten.
    Er sah Mails und Notizen von Guckis Todestag und dem Tag zuvor
durch. Es waren hunderte. Schwarz fand drei Mails von Sundown, die
sogar er überaus erotisch fand. Dann doch etwas: Eine Mail von
einem gewissen Rice, scheinbar aus Amiland. Ein Sympathisant.
    Schwarz las, dann las er nochmal. Die Amis wollten ein Exempel
statuieren. Sie hatten es auf das Festival abgesehen.
    Zwei Minuten lang saß er unbeweglich vor dem Bildschirm. Dann
beugte er sich wieder vor und drückte die Entf-Taste.
    Wirklich endgültig löschen?
    Ja.
    In dieser Nacht schlief Schwarz keine Minute. Vor seinem Auge
schien die Milchstraße zu kreisen, mit einem hellen Licht in der
Mitte, das nicht dorthin gehörte.
    Gegen 3 Uhr rief er June an, aber sie ging nicht ran.
    Um 7 Uhr kam eine SMS von ihr:
Bin krank, kann nicht komm
mit. Sry, J.
    Es war kurz nach 8 Uhr, als Schwarz mit Sundown und Wanda in
Guckis Suzuki Richtung Ostwestfalen startete.
    »Ein Tag ohne Wolken«, murmelte Wanda, als sie durch die Soester
Börde fuhren.
    »Ein Tag ohne Gucki«, entgegnete Sundown.
    »Die Sonne scheint«, sagte Wanda mit Nachdruck.
    Schwarz fühlte sich so gut wie tot.
    Er schloss sich auf dem Klo ein, um in Ruhe nachdenken zu
können. Die Polizei hatte versprochen, dass ein Inspektor
vorbeischauen würde, um ein paar Fragen zu stellen. Nach der
Beweisaufnahme. In zwei bis drei Monaten.
    Tropf.
    Es wäre reines Glück gewesen, wenn bei der Behörde ein Mitglied
der Schattengemeinde aufs Tempo gedrückt hätte. Den meisten anderen
waren die Dämonen unheimlich; sie konnten ihnen zwar nichts
beweisen, hatten noch nie einen mit einer Schusswaffe gesehen, der
Pauschalverdacht war trotzdem unabwendbar.
    Tropf
.
    Wenn June etwas mit Guckis Tod zu tun hatte, stellte sich die
Frage, warum sie nicht gleich ihn, Schwarz, ausgeschaltet hatte.
Vielleicht wegen der Märtyrer-Gefahr. Mit sowas kannten sich die
Amerikaner aus, spätestens seit sie unter großen Schwierigkeiten
die Basis der Hussein-Sekte in Phoenix, Arizona stillgelegt
hatten.
    Tropf
.
    Verärgert griff Schwarz nach dem Wasserhahn, drehte am Knauf,
aber das Tropfen hörte nicht auf. Er stand vom Toilettensitz auf –
und erstarrte, als sein Blick ins Waschbecken fiel. Eine schwarze
Pfütze wabert darin, gespeist aus Tintentropfen, die auf einem
anderen Weg kamen als durch den völlig dichten Regler.
    Sie kamen von drüben.
    Schwarz wartete, bis sich ein assymmetrischer Dämonenkopf aus
der Pfütze erhob, glänzend, nass, lebend, Besuch von der anderen
Seite.
    »Wer bist du?«, fragte Schwarz, als der trichterförmige Mund des
Wesens erkennbar war.
    »Einer im Auftrag aller«, erwiderte der Dämon. Wellen liefen
über sein Gesicht, konvergierten zu einer Stirnfalte. Der Kopf
bildete einen langen, schrumpeligen Hals, verharrte auf Augenhöhe
mit Schwarz. Der wartete ab, bis der Dämon erneut zu sprechen
begann.
    »Begleite mich auf eine kurze Reise«, sagte er, stülpte wässrige
Pseudopodien aus.
    Schwarz hielt sich am Rand des Waschbeckens fest, als er
erkannte, dass die dunklen Schlangen auf seine Augen zielten.
    »Wohin?«, fragte er leise.
    »Ewige Dämmerung«, antwortete der Dämon, dann verschwand alles
Licht.
     
     
    Grau. Nebelschwaden zogen zwischen Mauerresten umher, umhüllten
ein endlos hohes eisernes Gestell, an das sich drei blutrote
Dämonen klammerten; dreibeinig, Augen wie Kieselsteine, zahnlose
Münder. Greise oder Weise, Schwarz vermochte es nicht zu sagen. Sie
sahen anders aus als alle Gefährten, die Schwarz bisher gesehen
hatte, und doch hatten sie mit ihnen etwas gemeinsam, das über den
traurigen Gesichtsausdruck hinaus ging. Vielleicht waren es die
Unterschiede, die sie gemeinsam hatten. Keine zwei Dämonen waren
gleich, nur vage Ähnlichkeiten
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